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21. Artikel Frühjahr 1959

„Der praktische Nutzen von Bodenprüfungen“
Einen rentablen Landbau ohne wissenschaftliche Kontrollen gibt es heute nicht mehr. Ein Betrieb, der sie entbehren zu können glaubt, kann nicht konkurrieren und versagt in Krisenzeiten.
Im biologischen Landbau stehen wir im Stadium der Entwicklung von wissenschaftlichen Kontrollmethoden weil es solche Methoden bisher nicht gab; sie wurden nicht entwickelt, weil man glaubte, dass die Kulturpflanzen ausschließlich mineralisch, nicht aber auch organisch ernährt werden müssen.
In diesem Stadium ist die wissenschaftliche Arbeit mehr auf die Mitarbeit der Praktiker, d.h. der Betriebe angewiesen als umgekehrt; im nächsten Stadium kehrt sich das Verhältnis um, d.h. der Wissenschafter vermag dem Praktiker mehr zu geben als umgekehrt.
Wir befinden uns heute in unserer Arbeit ungefähr in der zweiten Hälfte des ersten Stadiums. Je intensiver der Praktiker, der Bauer und sein Betrieb, mitarbeiten, desto schneller wird das Stadium erreicht, indem er den weitaus größeren Nutzen von der gemeinsamen Arbeit heimträgt. Das gilt es zu erreichen.
Wir alle wissen, dass sich bis jetzt nicht eine einzige landwirtschaftliche Versuchsanstalt mit der wissenschaftlichen Vorarbeit für die Lenkung des organischen Landbaues befasst. Aus welchen Gründen, ist hier nebensächlich. Das für uns Entscheidende ist, dass wir ganz auf uns selbst angewiesen sind. Auf uns selbst, das heißt: Auf jeden einzelnen von uns, auch auf den kleinsten Bauern von uns.
Zur Zeit muss Jeder mitarbeiten, den biologischen Landbau zu einer hieb- und stichfesten, krisenfesten, rentablen Methode zu machen, damit wir den immer schärferen Kampf um die Gesundheit und um den Markt gewinnen.
Das können wir nur, wenn wir besser sind als die anderen. Wir können aber nur besser sein als die anderen, wenn wir die besseren Methoden und die bessere wissenschaftliche Arbeitskontrolle besitzen. Wir sind im Begriff sie zu bekommen, nicht zuletzt dank der mikrobiologischen Bodenprüfungen. Wir werden deshalb diese Arbeit in den folgenden Jahren noch bedeutend intensiver vornehmen.
Von einer wissenschaftlichen der Betriebskontrolle ist erstens ein mittelbarer und zweitens ein unmittelbarer Nutzen zu erwarten.

 

1.Der mittelbare Nutzen

a) Die Betriebsleitung, der Bauer bekommt Einsicht über Betriebsmittel, Arbeitseinsatz,
Notwendigkeit von Schulung, Absatz und Betriebsrentabilität.
b) Beratung in der Düngeranwendung, Gründüngung, Fruchtfolge, vergleichende Erfahrung
mit anderen Betrieben. Verbindung zwischen Lenkungsarbeit und der Mitarbeit der
Praktiker herstellen.
c) Die wissenschaftliche Lenkung bekommt Unterlagen. Unterlagen für die bestmögliche
organische und anorganische Düngeweise und die bestmögliche Art der Behandlung
organischer Dünger; für die Ausarbeitung notwendige Richtlinien um den biologischen
Landbau instand zu setzen, alle seine Ziele zu erreichen (Gesundheit, Rentabilität,
Giftfreiheit)

2.Der unmittelbare Nutzen

a) Der Betrieb erhält Unterlagen für 1) das Bodenleben zu kontrollieren, 2) den
Humusvorrat (Rücklage im Boden) zu überprüfen, 3) die biologische Qualität des Bodens
zu kontrollieren, 4) den ph-Wert zu überprüfen.
b) Der Betrieb erhält Unterlagen für Sicherstellung des Betriebes vom Boden her und damit
die Beeinflussung der Ertragshöhe und der Produktqualität; die Gesundheit im Viehstall
und Familie.
c) Es ist für den einzelnen biologischen Landbauer die Möglichkeit gegeben „Das
Biologische Denken“ zu erlernen das unentbehrlich ist, wenn man die Früchte
organischen Landbaues und deren Fortschritt überhaupt ernten will.
Die Praxis des biologischen Landbaues vollinhaltlich zu erlernen.
Wer die Sachlage kennt, muss im Gegenteil erstaunt sein, dass es gelungen ist, in wenigen Jahren Methoden zu entwickeln, die zu bereits 4/5 ein zutreffendes Resultat erbringen. Haben wir doch anhand der ausgedehnten Bodenprüfungen schon in diesen ersten Entwicklungsjahren grundlegende Fortschritte erzielen können, die wir selbst vor wenigen Jahren für unmöglich gehalten hätten!
Während wir vorher völlig im Dunkeln tappten, wenn man uns fragte, was denn mit der Lebendigkeit und der biologischen Qualität von Böden und Komposten los sei, können wir jetzt in den allermeisten Fällen darauf eine begründete Antwort geben.
Helfen wir deshalb alle wie bisher mit, unserem biologischen Landbau die Sicherheit und Stabilität zu geben, die er braucht, um seine großen Aufgaben an Ernährung und Gesundheit zu erfüllen.

20. Artikel Winter 1958

,,Menge und Güte der lebenden Bodensubstanz als Test für die Bodenfruchtbarkeit“ 

Wir nennen einen Boden fruchtbar, wenn er die Nahrung für ein reichliches und vollkommenes Pflanzenwachstum bereithält.

Das Wachstum darf reichlich genannt werden, wenn unsere Kulturpflanzen die für die Ernährung erforderlichen Mengen an Ertrag liefern. Als Anhaltspunkt dienen die statistisch festgestellten Ertrags- und Höchstertragsgrenzen.
Das Wachstum darf vollkommen genannt werden, wenn die Kulturpflanzen äußerlich gesund erscheinen, keines nennenswerten Schutzes gegen Krankheiten und Schädlinge bedürfen und als vollwertige, gesunde Nahrung für Mensch und Tier gelten können. Damit wird die Frage nach ihrer biologischen Güte gestellt.
Beides, die Menge und Güte des Ertrages, sind die Richter im biologischen Landbau. Sie sind es freilich auch im übrigen Landbau, nur steht dort die Menge im Vordergrund, während die Güte, die echte biologische Güte, wenig Rücksicht findet.
Im biologischen Landbau steht die Güte im Vordergrund, die Menge rangiert an zweiter Stelle, denn was nutzen Höchsterträge wenn es an gesundheitlichem Wert für Mensch und Tier mangelt und man Ausgaben für Pflanzenschutzmittel und Gesundheitsfürsorge aufwenden muss.

Bei der biologischen Güte handelt es sich stets um die Wirksamkeit von lebendigen Vorgängen, um die Wirksamkeit biologischer Kräfte und Gleichgewichte, um ein stets in Bewegung befindliches, unbegreifliches „Etwas“, das uns nur in äußeren Erscheinungen sichtbar wird.
Ob etwas biologisch hochwertig war, erkennen wir erst, wenn wir sehr viel später das Resultat sehen ­ die Gesundheit von Pflanzen, Tieren und Menschen. Wir müssen die Lebensvorgänge als Ganzes nehmen, ihren Ablauf, ihren Zusammenhang, ihre Abhängigkeiten beobachten und vergleichen.

Die Beobachtung lebendiger Abläufe ist etwas grundsätzlich anderes als die stoffliche Zerlegung und darin liegt der eigentliche Unterschied zwischen der biologischen und der chemisch-physikalischen Forschung.
Der Biologe kann, wenn er neues vom Lebendigen erfahren will, nicht beliebige Experimente anstellen, er muss es in seinem Zusammenhang lassen und als Ganzes erforschen.
Die Gesetze des biologischen Landbaues können nicht in Einzelheiten erkannt werden, denn er ist ein Ganzes. Alle ihn ausmachenden, miteinander verknüpften Lebensvorgänge müssen in Ordnung sein.
Sonst ist es kein biologischer Landbau.
Die Funktion des Ganzen muss über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg gesehen werden, das ist der einzige ganz sichere Test, den es im biologischen Landbau gibt.
Alle im Biolandbau getätigten Bodenteste sind nur imstande einen kleinen Ausschnitt aus ungeheuer verzweigten, niemals ganz durchschaubaren Lebensvorgängen im Boden zu zeigen. Ein solcher Test ist immer nur im Vergleich zu werten, entweder im Vergleich zu früheren Proben, oder im Vergleich mit anderen.
Der Test muss uns sagen, ob der Boden imstande ist, an unseren großen Aufgaben mitzuhelfen, ob er mit Recht ein lebendiges Glied in dem lebendigen Ganzen ist, ob man mit Recht von ihm sagen kann, dass er dem Menschen dient, seiner Ernährung, seinem Wohlbefinden, seiner Gesundheit, seiner Zukunft.
Große Fragen sind das, die uns da gestellt werden! Und wir sollen sie beantworten, indem wir mit List und Tücke versuchen, die ewig wechselnde Lebendigkeit des Bodens in das Mikroskop und in die Zählkammer, in die bakteriologische Nährlösung und Zahlenkolonne zu bannen ­ für wahr eine schwere Aufgabe!
Mit diesen grundlegenden Erkenntnissen ging Rusch an die Aufgabe heran, einen Test zu entwickeln, der Aussagekraft besaß für die Menge und Güte der lebenden Bodensubstanz.
Weitere Erkenntnisse in dieser Forschung:
Je mehr Symbionten eine Bodenprobe zu ernähren imstande ist, das heißt, je mehr hochwertige Bakterien als Begleiter von Pflanze, Tier und Mensch er hervorbringt, umso höher ist seine biologische Güte.

Zur Frage der Menge:
Ein biologisches Wachstum von Kulturpflanzen ist nur möglich, wenn eine dem Wachstum
entsprechende Menge an organischer Substanz zur Verfügung steht. Außerdem sind die physikalisch- chemischen Eigenschaften, die eine fruchtbare Erde haben muss nur vorhanden, wenn der Boden mit bestimmten Mindestmengen von organischer Substanz durchsetzt ist, das heißt, lebend verbaut ist (Sekera).
Wir verlangen, das ein Boden nicht deshalb fruchtbar genannt werden darf, weil er genug verfügbare Kernnährstoffe enthält, wir verlangen vielmehr das die Lebensvorgänge des Bodens selbst durch die Düngung so in Ordnung gebracht werden, dass sie von sich selbst aus imstande sind, die Pflanze ohne künstliche Nachhilfe zu ernähren. Das ist für uns erst Fruchtbarkeit.
Unser Begriff Fruchtbarkeit ist also etwas grundsätzlich anderes als die agrikulturchemische Fruchtbarkeit und das ist eines der wichtigsten Kernstücke im biologischen Landbau. Unsere Bodenfruchtbarkeit lässt sich nur anhand von Lebensvorgängen prüfen, nicht in chemischer Analyse.
Das ist zwar viel schwieriger aber für uns unentbehrlich.
Der Test soll aussagen, ob das Bodenleben ausreicht, um ein biologisch vollkommenes Wachstum hervorzubringen, nicht weniger aber auch nicht mehr.

19. Artikel, Herbst 1958

„Was ist Humus“ 

Humus ist die Fruchtbarkeit der Erde, Humus ist Nahrung der Pflanzen, und er ist also auch Nahrung der Tiere und Menschen. Er ist zugleich das bindende, verbindende Element des Bodens, denn ohne ihn wäre die Erdoberfläche eine Staubwüste. Und nicht zuletzt ist er Grundlage alles Lebendigen, der bestimmt über Gesundheit und Krankheit. Von ihm geht alles aus, was wir lebendig nennen, und in ihn kehrt es nach seiner Zeit wieder zurück, zu neuem Wandel bereit.

Die Agrikulturchemie hat in analytischer Denkungsweise allerlei Bestandteile des Humus wie Huminstoffe usw. dargestellt, ohne den Kern zu treffen.

Die alten Forscher der voranalytischen Zeit mit ihrer Auffassung „Die alte Kraft“ des Bodens sei der Humus, waren der Wahrheit viel näher. Albrecht von Thaer, ein Arzt, der seinen Beruf aufgab, um eine Landwirtschaftswissenschaft zu begründen, hat die Pflege des hofeigenen Düngers und die Kleewirtschaft als Humusquellen gefordert. Nachdem erkannt wurde, dass durch die Entnahme der Ernten ohne Rückbringung der organischen Masse als Dünger auf dem Boden, mit der Zeit ein Defizit entstehen müsse, unternahm die Agrikulturchemie den grandiosen Versuch, das Defizit durch Mineralsalze und durch künstliche Stickstoffsynthese zu beseitigen. Das Defizit auszugleichen ist richtig und nötig, muss jedoch in einer Form erfolgen, die die Mitwirkung des Bodenlebens nicht ausschaltet, was jedoch sowohl durch die leichtlöslichen Mineralsalze der künstlichen Düngung geschieht, als auch durch den synthetischen Stickstoff. Letzterer macht das Bodenleben überflüssig, inaktiv und führt zum Ausfall wichtigster Wirkstoffbildungen, auf die Boden und Pflanze angewiesen sind und die mit der natürlichen Stickstoffentnahme aus dem Humus Hand in Hand gehen.

Es ist also auf die Dauer nicht möglich, die natürliche Stickstoffversorgung der Pflanze
künstlich zu ersetzen, man ist auf das Bodenleben aus anderen Gründen angewiesen. Das
oberste Gesetz des Düngens bleibt also die Erhaltung des Bodenlebens. Auf natürlichste
Weise ist das Bodenleben aber nur zu erhalten, wenn praktisch alle dem Boden
entnommene Substanz (Lebenssubstanz und mitgeführte Mineralien), in den Boden
zurückkehrt, wenn sie ihren Kreislauf durch Pflanzen, Tiere und Menschen hindurch
vollendet hat. Es wird vielleicht niemals möglich sein, diesen Kreislauf wirklich vollständig zu schließen und wiederherzustellen, auch nicht bei größter technischer Bemühung, die derzeit noch in keinster Weise in Gang ist. Die Natur aber bietet uns für diese Mängel einen
Ausgleich, durch die wandernde Lebenssubstanz (Samensporen), die durch Luft und Wasser auf der Erde herumgeführt wird (zum Beispiel Löwenzahnkugeln, Birkensamen).

Die Lebenssubstanz ist das Kernstück des Humus. Es gibt lebende Substanz, deren
Teilchen bei etwa tausendfacher Vergrößerung im Mikroskop sichtbar sind und gezählt
werden können. Es gibt auch Lebenssubstanz, die im Lichtmikroskop nicht mehr sichtbar ist.

Im Kubikmillimeter eines voll-lebendigen Bodens finden sich rund 30000 Teilchen
Lebenssubstanz, im Kubikmillimeter eines hochwertigen organischen Düngers etwa 1 Million Teilchen (1qmm ist etwa der tausendste Teil eines Grammes Erde).

Diese Teilchen besitzen eine Art Klebrigkeit und kitten so den Staub der Erdoberfläche zu
dem zusammen, was wir mit Albrecht von Thaer „Humus“ nennen. Humus ist demnach die primitivste Form lebenden Zellgewebes wie es alle Organismen besitzen.

Alle lebenden Zellen von Organismen enthalten lebendige Substanz, die sie durch die
Nahrung aufnehmen und andere abgeben; die Summe dessen, was davon in den Boden
gelangt, wandert durch eine sinnvolle Kette von Mikrobien und besonders Bakterien, die

diese Substanzen dann freigeben (ein Stäbchen Bakterium ca. 100 Teilchen), sodass sie als
Erdstaub im Humus liegen bleiben.

Die Pflanze vermag mit Hilfe ihrer Symbionten (Wurzelbakterienflora) die Lebenssubstanzen aufzunehmen. Das geschieht in genau geregelter Form: Es besteht eine Abhängigkeit zwischen der Menge des Chlorophyls, das eine Pflanze besitzt und der Menge an Humus, den sie entnehmen darf. Dadurch verhindert die Natur eben den Raubbau, den man mit der Einführung der Stickstoffdüngung angefangen hat.

Die synthetische Stickstoffdüngung bringt das Verhältnis zwischen Chlorophyl ­ Nährstoff­
Bildung ­ Humusentnahme ­ Stickstoff-Bindung und Bodenmikrobienzahl aus dem
Gleichgewicht und führt zu einer unzuträglichen, unkontrollieren Humus-Entnahme. Massige synthetische Stickstoffanwendung vermag sogar in einer einzigen Wachstumsperiode den größten Teil der lebenden Bodensubstanz abzubauen.

Förderung der Humusbildung
Die Humusbildung ist abhängig vom Bodenleben, denn Humus ist ein Produkt der
Lebensvorgänge im Boden.

Feuchtigkeit, Luft, Dunkelheit, Mindestwärme sind notwendig.
Bodenbedeckung dadurch Ausschluss des Lichtes, Verhinderung von Austrockung,
Förderung der Wärmebildung.
Beachtung der Bodenschichtung: Abbau-Vorgänge in den oberen Schichten, Aufbau-
Vorgänge in den unteren Schichten, daher Vermeidung von Störungen der Schichten durch Pflügen, Wenden, Graben.

Die Lebensvorgänge des Bodens bedürfen der vollkommenen Ernährung, daher beste
Auswahl an mineralischen und organischen Materialien. Organische Dünger im weitesten
Sinn, Bodendecken in frisch lebendigem Zustand, Komposte aus bestem Verfahren
(Trockenheit und Nässe vermeiden, luftig und locker aufsetzen).

Humus ist das Ende und der Anfang allen Lebens, in ihm ruhen die Geheimnisse von Leben
und Gesundheit aller höherer Organismen und nur von hieraus kann man Mensch, Tier und Pflanze gesund erhalten und gesund machen ­ alles andere sind Notmaßnahmen von kurzer Dauerwirkung.

Nur aus einem voll lebendigen Boden vermögen wir die höheren Lebewesen wirklich
vollkommen zu ernähren und das ist gleichbedeutend mit der Erhaltung ihrer Gesundheit.
Deshalb müssen wir unsere Böden allmählich wieder lebendig machen. Die Meister der toten Materie (Agrikulturchemiker) können uns nicht ein einziges Fünkchen Leben produzieren ­ das Lebendige ist gegeben und kann von uns nur gepflegt werden: Es ist und bleibt das Geheimnis eines Geistes, der über uns ist und dem wir dienen, zuvorderst durch die Pflege jener unzähligen Lebensfünkchen der Mutter Erde, die wir Humus nennen.

18. Artikel, Sommer 1958

„Statistik“ 

Die Statistik ­ das Aufzeichnen und Vergleichen in Zahlen, in Kurven, in Prozenten ­ ist
eines der wertvollsten Hilfsmittel, um irgendeine Arbeit zu kontrollieren. Man kann auf diese Weise sehr viel erfahren, was auf andere Weise niemals herauskommt und gar manchmal kann man vermeiden, auf falsche Wege zu geraten, wenn man beizeiten die Statistik zurate zieht. Für unsere Arbeit am biologischen Landbau ist die Statistik ebenso unentbehrlich wie für jede andere wissenschaftliche Arbeit. Wir brauchen sie, um daraus zu lernen, um daraus die nächsten Schritte abzulesen, die wir tun müssen und wir brauchen sie schließlich, um zu erkennen, was wir falsch gemacht haben, damit es rechtzeitig korrigiert werden kann.

Wir unternehmen es ja, wissenschaftliche Klarheit in den biologischen Landbau zu bringen, um die nebulosen Vorstellungen von früher endlich zu überwinden. Wir unternehmen es, eine Kontrolle für unsere Arbeit zu schaffen, weil wir ehrlich arbeiten wollen und deshalb brauchen wir die statistische Arbeit an den Ergebnissen der Bodenprüfungen, deshalb müssen wir Materie sammeln und tausende und abertausende von Proben auswerten.

In Lebensabläufen sind einzelne Messergebnisse von sehr beschränktem Wert. Die
Entwicklung des Bodens, die Entwicklung des ganzen Betriebes nach seiner Umstellung auf die biologische Wirtschaftsweise braucht lange Zeit, oft Jahre, ehe man genaue
Messergebnisse erwarten kann.

Je mehr Messergebnisse und diese von längeren Zeitabläufen, desto besser, desto
aussagekräftige die Ergebnisse der Statistik. Die Ergebnisse der ersten Zeit werden mehr
oder weniger einen Trend angeben, die zusammengefassten Ergebnisse von mehreren
Jahren jedoch einen Aufschluss über die Richtigkeit des Weges, oder aber auch über
gemachte Fehler. Um die Wahrheit über den Boden zu erfahren, braucht es unendlich viel
Geduld.

Es geht aber nicht nur darum, regelmäßig Bodenproben zu liefern, es geht auch um alle
anderen Werte des Betriebes, wie die Erträge, ihre Qualität, die Rentabilität des Viehstalles
und seine Entwicklung, die Tier- und Menschengesundheit usw.

Alle diese Werte in Zahlen über Jahre sind imstande den biologischen Landbau zu
untermauern.

Die Zeit ist gekommen um unsere Arbeit zum ersten Mal zu überschauen, um Rechenschaft
abzulegen über das Erreichte, falsches auszumerzen und Richtiges zu fördern, kurz um den Weg in die Zukunft genauer abzustecken als das bisher möglich war.

Schäden durch Bodenbearbeitung

Die stark gestiegene Bodennutzung und die Technisierung der Bodenarbeit erfordert die
Beachtung von Schäden am Boden, die früher weniger möglich waren und praktisch nicht ins Gewicht fielen. Als solche Schäden kommen in Betracht:

1. Schäden physikalischer Art
a) Veränderungen der Grundwasserspiegel
b) Schäden der Porenstruktur
c) Bodenverdichtung und Podsolbildung bei intensiver Mineraldüngung (anorganische
Handelsdünger)
d) oberflächliche Krustenbildung bei Erosion und Humusmangel
2. Schäden biologischer Art
a) Vernichtung der Bodenkleintiere und Würmer durch Maschinen und Humusmangel
b) Neigung zu Austrocknung und starker Wärmeaufnahme auf unbedeckten Flächen
c) Störung der Humusbildung durch Beseitigung der Bodenschichtung beim Pflügen und
Umstürzen
d) Störung der Wurzelfunktionen durch Einbringen unreinen organischen Materials in die
Wurzelsphäre

Aus diesen Angaben geht hervor was eigentlich selbstverständlich war:
Je intensiver der Landbau, desto größer die Differenz zwischen Kulturbau und natürlichem
Pflanzenwuchs. Da wir heute von der Kulturpflanze mehr verlangen müssen als bisher, vor
allem bezüglich ihrer biologischen Qualität als Nahrungs- und Futterpflanze, entsteht die
Aufgabe, die Technik des Landbaues soweit wie möglich den natürlichen Wachstumsbedingungen anzupassen.
Das Ideal, das heißt, die ständige Bodendecke aus organischem Material und der
vollkommene Verzicht auf jeden Eingriff in die Bodenschichtung durch Umarbeiten, Pflügen, Fräsen, Meißeln und vieles andere, ist vorläufig nicht erreichbar, weil die erforderliche Technik, die entsprechenden Maschinen und die praktische Erfahrung noch nicht zur Verfügung stehen.

Die winterliche Bodendecke ist zwar schon ein Fortschritt in der gewollten Richtung, aber
weniger wichtig als die Sommerdecke, weil fast nur während der Vegetation die biologische und physikalische Bodenbeschaffenheit gebildet wird.

Es ist deshalb Aufgabe des biologischen Landbaues, Methoden der Bodenbearbeitung zu
entwickeln, die die physikalischen und biologischen Bodenschäden weitgehend vermeiden oder ganz unmöglich machen.

17. Artikel, Winter 1957 ­ Frühjahr 1958

„Von der Ordnung des Lebendigen, seiner Gesundheit und seiner Krankheit“ 

Der menschliche Geist, menschlicher Verstand und Logik sind in den Wissenschaften zur
höchsten Blüte getrieben worden. Gar mancher hat darüber vergessen, dass uns immer die letzte Erkenntnis fehlt. Alle unsere menschlichen Erkenntnisse sind nur Teile der Wahrheit, sie sind niemals die letzte Wahrheit und werden es niemals werden. Man vermag mit dem Leben verwunderliche, ja erstaunliche Experimente anzustellen und kommt leicht auf den Gedanken, dass wir es nach unserem Belieben behandeln und verwandeln können; aber nichts kann falscher sein als dieser Irrglaube, denn wir können kein einziges Stückchen „Leben“ konstruieren. Nicht einmal eine Amöbe, geschweige denn ganze Organismen. Die Wissenschaft vom Lebendigen muss sich deshalb ganz darauf beschränken, die lebendigen Dinge und ihre Zusammenhänge so zu betrachten, wie man sie vorfindet, ohne viel daran ändern zu können. Nicht eine handbreit dürfen wir ungestraft von den Ordnungswegen abweichen, die der Schöpfer des Lebens vorgezeichnet hat. Wer sich daraufhin den Landbau der letzten Jahrzehnte ansieht, wird leicht bemerken, wie sehr man gegen diese Weisheit gehandelt hat. Die Agrikulturchemie hat den Landbau ihrem totalen Anspruch unterworfen und so sehr gestaltet, dass es zu einer der schwierigsten Aufgaben geworden ist, die Gesetze des Lebens an ihm wieder zu verwirklichen.

Denn es ist eine fundamentale Lebensfrage für die gesamte Menschheit, da die Gesundheit, das einzige Gut, das eine glückliche Menschheit nicht entbehren kann, vom Boden herkommt und nur vom Boden, der den Gesetzen des Lebens voll entspricht.

Von diesen Dingen ist in der derzeitigen Landwirtschaft kaum die Rede. Sie interessieren nur dort, wo Krankheit den Ertrag gefährdet. Man versucht zwar über Kleber- und Vitamingehalt, über Spurenstoffe und Nährmitteln an die Produktgüte heranzukommen, übersieht dabei aber vollständig die Ganzheit in der Betrachtung. Man wird noch sehr lange Zeitläufe brauchen, bis man erfährt, dass die Vorgänge, nach denen das Leben auf der Erde gelenkt und gesunderhalten wird, so ungeheuer verwickelt und vielfältig sind, das man sie niemals bis in ihre letzten Feinheiten mess- und sichtbar zu machen imstande sein wird.

Praktisch gibt es also nur einen Weg: Man muss die für uns Menschen und unsere
Lebensordnung gültigen Gesetze des Lebens ablesen, dort, wo sie ohne Eingriffe des
Menschen in den natürlichen Vorgängen sichtbar werden. Hat man eines dieser Gesetze
erkannt, so ist es unsere Aufgabe, ihm in der menschlichen Lebensordnung Geltung zu
verschaffen und es als oberstes Gebot zu betrachten.

Dieses Vorgehen ist etwas ganz anderes als die bisher üblichen Verfahren, bei denen man
gewisse Teilerkenntnisse, zum Beispiel den Stickstoffbedarf der Pflanze oder die
Schädlingsbekämpfung, herausgegriffen hat aus dem Zusammenhang und deren scheinbare Lösung auf das ganze System umgelegt hat, wobei, weil der Weg den Lebensgesetzen zuwider läuft, dauernd korrigiert werden muss. Das Prinzip ist falsch, weil es nicht der Natur abgelauscht ist und wird immer falsch bleiben.

In der Natur gibt es einen „Kreislauf des Stickstoffs“ (niemand hat ihn besser dargestellt als Raol H. Francè in seinem Buch „Das Edaphon“) und Stickstoff braucht jede Pflanze. Den
Lebensgesetzen entsprechend muss die Pflanze ihren Stickstoff aus diesem Kreislauf
erhalten.
Schon Justus von Liebig hat klar erkannt und gesagt, dass nichts die natürlichen
Stickstoffquellen ersetzen kann, auch in aller Zukunft nicht. Es ist ein widernatürliches
Verfahren, die Harmonie der Lebensvorgänge durch künstliche Stickstoffgaben zu stören. Es entspricht nicht den Lebensgesetzen, wenn wir aus materiellen Gründen, im Frühjahr
Stickstoffsalze streuen, weil der noch kalte Boden nicht viel Stickstoffumsatz haben kann,
weil die Lebensvorgänge nur langsam ablaufen. Mit der Beschleunigung des Wachstums zur Unzeit beginnt das Vergehen gegen die Gesundheit.

Man verfährt ebenso mit dem Pflanzenschutz: Der Mensch, seine Haustiere und
Nahrungspflanzen werden als schutzbedürftig angesehen, aber nicht im Sinne der
Lebensgesetze geschützt, sondern gewissermaßen von außen. Sie schützen sich nicht
selbst sondern werden geschützt. Man züchtet damit ein Geschlecht von Menschen, Tieren
und Pflanzen heran, das mehr und mehr die Fähigkeit verliert sich selbst zu schützen. Es
braucht den künstlichen Schutz. Es ist dies eine sehr gefährliche Sache, weil die Folgen erst bei Enkel und Urenkel sichtbar werden.

Gesundheit ist die Fähigkeit sich selbst zu schützen, nichts anderes. Diese geht auf dem
eingeschlagenen Weg allmählich verloren.

Es gibt gegenüber den ewig gültigen Schöpfungsgesetzen keinen Kompromiss: Sie werden
entweder missachtet oder sie werden geachtet, eine Zwischenlösung gibt es nicht. Unsere
menschliche Lebensordnung kann nur dann bestehen ­ und nur dann wird sie von Bestand
sein ­ wenn sie die natürlichen Ordnungen des Lebendigen als einzige Richtschnur für unser Handeln anzuerkennt.

Der Niedergang der menschlichen Gesundheit, seine Gründe und die Möglichkeiten sich
davon herauszuhalten.

Man kann den wissenschaftlich getarnten Ungeist unserer Zeit, ihren Materialismus und die Unfreiheit nur überwinden im Geist.

Das Antlitz unserer Zeit trägt die Züge schwindender Geistigkeit, sie bevorzugt den
geistlosen Massemenschen, ja sie züchtet ihn. An die Stelle des selbstsicheren Glaubens an
das Gute, an eine höhere Macht und an die Vollkommenheit der Schöpfung, ist der Glaube
an die Vollkommenheit menschlicher Werke, menschlicher Organisation, menschlicher
Heilkunst getreten, dem sich der Massemensch sklavisch unterordnet ohne eigenen Geist.
Die Technik wird erst dann etwas vollkommenes sein, wenn sie mit den Kräften des Geistes
eingeordnet wird in die Ordnung der Schöpfung.

Das Glück voller Gesundheit aber kann nur erfahren, wer den Grundregeln der Naturordnung entspricht und in Harmonie lebt mit allem Lebendigen:
1. Gesundheit ist Besitztum und gemeinsame Eigenschaft alles Lebendigen
2. Will die Menschheit die Gesundheit erhalten, so muss sie dafür sorgen, dass alle
Menschen eine gesunde Erbsubstanz haben und ihren Nachkommen weitergeben.
3. Die vollkommene Nahrung ist eine Voraussetzung für die Gesundheit
4. Eine Fähigkeit eines Organismus, die nicht betätigt wird, geht ihm verloren, sie
verkümmert.

16. Artikel, Sommer 1957

„Bodenbehandlung mit Symbioflor-Humusferment“ 

Von Anfang an haben sich alle Zweige und Richtungen des biologischen Landbaus darum
bemüht, durch zusätzliche Maßnahmen die biologische Güte, die Qualität der Humusdünger und des Bodens zu verbessern.

1. Als erstes haben sich Heilkräuter, ganz bestimmte Heilkräuter, in bestimmten
Aufarbeitungen für verschiedenste Vorgänge bei Pflanzen, in Komposten, im Boden bewährt.

2. Als zweites ist die Spurenelementdüngung zu nennen und das zurecht. Die intensive
Landwirtschaft und der intensive Gartenbau entnehmen den Böden in unverhältnismäßig
hohem Grad jene seltenen Elemente, die auch natürlicherweise nur in kleinen Spuren
vorkommen, die aber für das Leben unentbehrlich sind. Eine richtige Dosierung kann kaum getroffen werden, jede nicht Zutreffende verursacht Schädigungen. Der biologische Landbau bedient sich der natürlichen, mineralischen Form wie sie im Urgesteinsmehl im richtigen Verhältnis vorliegt.

3. Impfung mit bestimmten Bakterien und zwar in erster Linie mit physiologischen Bakterien, die bei der Humusbildung unentbehrlich sind.
Im Symbioflor-Humusferment sind diese 3 Verfahren vereinigt. Es enthält bestimmte
Urgesteinsmehle, ausgewählte Heilkräutersubstanzen und die Grundsubstanzen für die
Anzüchtung einer Bakterien-Kultur.

Wir sollten uns nun allerdings auch von vornherein darüber im Klaren sein, dass sich diese
neuartige Maßnahme in nichts von den anderen im biologischen Landbau unterscheidet. Sie erzeugt keine raschen Wunder, sie wirkt langsam, stetig und allmählich auf die Güte der Böden ein und sie wirkt nur dann dauerhaft und sicher, wenn die anderen Voraussetzungen für das gesunde Bodenleben erfüllt sind. Nichts wird dadurch überflüssig, wir haben nur ein wertvolles Hilfsmittel mehr. Der biologische Landbau bleibt trotzdem, was er immer sein wird:
Stete Sorge und Mühe um den lebendigen Boden und die gesunde Pflanze.

Hinweis:
Das Symbioflor-Humusferment wird nicht mehr hergestellt.

15. Artikel, Frühjahr 1957

„Stand der Humusforschung und ihre praktischen Konsequenzen“ 

Vortrag gehalten an den Volkshochschultagen 1957 auf dem Möschberg.

Nachdem der unversehrte Kreislauf der Stoffe als Voraussetzung gesunden Lebens erkannt ist, ist die Humusforschung zu einer echten Ernährungsforschung geworden und nur im Rahmen der Ernährung aller Organismen zu begreifen. Um die bisher erkannten Gesetze der Humusbildung und ­verwertung kennenzulernen, muss man die Grundsätze der modernen Ernährungslehre überhaupt betrachten.

Man unterscheidet heute nach Mommsen drei wertmäßig verschiedene Stufen der
Ernährung, die stofflich unterscheidbar sind:

1. Stufe: Bau- und Betriebsstoffaufnahme
2. Stufe: Vitalstoffaufnahme einschließlich Spurenstoffen
3. Stufe: Aufnahme spezifisch-lebendiger Substanz.
Im Laufe der jahrzehntelangen Ernährungsforschung sind diese drei Stufen nacheinander
wissenschaftlich erkannt worden; die Bau- und Betriebsstoffaufnahme ist am längsten
bekannt und am gründlichsten erforscht, die Aufnahme lebender Substanz ist erst kürzlich
erkannt und noch keineswegs anerkannt, geschweige denn genügend erforscht worden.

1. Bau- und Betriebsstoffe sind die Elemente Ka Ca Na Mg P N und C Verbindungen,
aber auch die organischen Verbindungen: Eiweiß, Kohlehydrate und Fette. Alle diese
Stoffe sind zwar meist aus Lebensvorgängen hervorgegangen, sind aber nicht
lebendig und können kein Leben produzieren. Sie werden im Ernährungskreislauf
ausschließlich von lebender Substanz bewegt, ausgetauscht, zerlegt, wieder
aufgebaut wie sie gebraucht werden. Sie vermitteln Betriebsenergie, stehen aber im
Rang unter der lebenden Substanz.
2. Vitalstoffe einschließlich Spurenstoffen sind Wirkstoffe oder werden zur
Wirkstoffbildung gebraucht wie die Spurenelemente. Die Wirkstoffe stehen in ihrer
biologischen Bedeutung zwischen der leblosen und der lebenden Materie, sind
erheblich komplizierter gebaut und werden von den höchstentwickelten Organismen
nicht selbst hergestellt sondern vielfach bezogen als Vitamine, Hormone, Enzyme. Zu
ihrer Bildung gehören vielfach seltene Elemente wie Kobalt, Molybdän und Kupfer.
Von diesen Elemente-Arten werden die meisten für die Lebensvorgänge gebraucht,
wenn auch nur in Spuren. Mit diesen Elementen werden Wirkstoffe gebildet, mit
deren Hilfe die lebende Substanz den Transport, die Umformung und die
Verwendung der Bau- und Betriebsstoffe regelt mit deren Hilfe überhaupt alle
stofflichen Notwendigkeiten der Lebensvorgänge gelenkt werden. Sie wirken als Bio-
Katalysatoren, als Regler des Stoffwechsels, als Wächter über die Energieumsetzung
und Wärmebildung, als Wuchsstoffs, als Lockstoffe in Form der Duft-, Aroma ­ und
Farbstoffe. Die Wirkstoffe sind bereits typisch für Lebensvorgänge und den Stoffen
der ersten Stufe übergeordnet, sind aber selbst nicht lebendig. Sie stehen zwischen
leblos und lebendig, sind Produkte der lebenden Substanz, sind diesen eindeutig
untergeordnet, sie zerfallen aber beim Tod von Organismen nicht.
3. Stoffe der lebenden Substanz: Sie sind chemisch nur sehr wenig bekannt, sind
jedoch so kompliziert aufgebaut, die Zahl ihrer Atome so groß, dass ihre Erforschung
von führenden Biochemikern als äußerst schwierig bezeichnet wird. Die
Lebenssubstanz ist aber gerade derjenige Stoff, der im Stoffkreislauf die höchste
Rangstufe einnimmt, von ihr werden die Lebensvorgänge maßgeblich gelenkt.

Man weiß, dass die Lebenssubstanz erheblich widerstandsfähiger ist, als man bisher
angenommen hat, aus diesem Grund bleibt sie beim natürlichen Tod von Zellen,
Geweben und Organismen erhalten und zerfällt nicht, genauso wie die Vitalstoffe. Mit
diesem Überleben ist der Kreislauf der lebenden Substanz gegeben. Dieser Kreislauf
führt vom Boden zu den Organismen und von den Organismen wieder zum Boden
zurück, da alle Materie die lebt aus dem Boden kommt und in den Boden wieder
zurückkehrt.

Die vollständige Ernährung des Bodens kann nicht bewerkstelligt werden mit den Stoffen der ersten Stufe, den Bau- und Betriebsstoffen chemisch bekannter Art, am wenigsten mit
Mineralsalzen allein. Der Organismus Boden kann ohne Vitalstoffe und lebender Substanz
ebenso wenig existieren wie die höheren Organismen.

Die Landwirtschaft kann aber Vitalstoffe und lebende Substanz für die Bodenernährung nur aus einer einzigen Quelle beziehen: aus dem Material abgelaufener Lebensvorgänge, aus den Abfällen von Menschen, Tieren und Pflanzen und Mikroben, aus sogenanntem
organischen Material. Dieses Material enthält zugleich alle lebensnotwendigen Stoffe aller
Ernährungsstufen: Baustoffe, Betriebsstoffe, Vitalstoffe und lebende Substanz. Dieser
Nahrung braucht nichts mehr hinzugefügt zu werden. Jede Ergänzung ist nicht nur
überflüssig sondern stört die biologische Einheit der Nahrung. Jedes Zufügen zum Beispiel
von Mineralsalzen bedingt eine Fehlernährung.

Wenn die künstliche Zufuhr von N Ca K und P trotzdem pflanzenwirksam unter
wuchssteigernd ist, so geht das nur auf Kosten der lebenden Bodensubstanz und nur
deshalb weil mangels ausreichender organischer Nahrung ein Defizit in allen
Ernährungsstoffen besteht. Nun wird derzeit die organische Abfallsubstanz weder richtig
behandelt noch richtig angewendet. Man geht mit ihr verschwenderisch um, weil man mit ihr überhaupt nicht umgehen kann.
Man lässt sie nicht nur auf Haufen verkommen, in Methantürmen verfaulen, verbrennen und in die Flüsse, Seen und Meere verschwinden.
Man lässt sie auch dort entwerten, wo man sie zur Düngung tatsächlich braucht. Man tut es unwissend weil man keinen Maßstab hat.

Wir können heute grundsätzlich folgendes behaupten:
1. Alle Lebewesen auf der Erde, auch die Menschen, sind mit Hilfe der von ihnen
hinterlassenen organischen Abfallsubstanz auf jeden Fall und unter allen Umständen
vollkommen zu ernähren. Es kommt nur darauf an, diese Abfallsubstanz zu erfassen
und vollwertig an den Boden zu bringen.
2. Der volle Wert von Abfallstoffen kann nur erhalten werden, wenn die in ihnen
weiterlaufenden Lebensvorgänge keine Unterbrechung erleiden, ehe sie an den
Boden kommen.
3. Der Boden vermag die Wertigkeit der Nahrungsstoffe, einschließlich der Wertigkeit
der lebenden Substanz, über längere Zeiträume zu konservieren. Der Boden vermag
das aber nur dann, wenn er in der natürlichen Schichtbildung, das heißt im
stufenweisen Umbau der Abfallsubstanz, nicht gestört wird.
4. Die Pflanze vermag diese konservierte Nahrung zu mobilisieren und aufzunehmen,
sobald sie durch die Photosynthese in die Lage versetzt ist, Betriebsstoffe zu liefern.
5. Jede Ergänzung organischer Dünger und jede Verwendung von Düngern, die nicht
unmittelbar organischer Herkunft sind, stellt eine Fehlernährung des Bodens und
damit der Pflanze dar. Die Boden- und Pflanzenernährung ist ein echter
Lebensvorgang und niemals, auch nicht teilweise, künstlich ersetzbar.
In diesen 5 Punkten haben wir die Grundsätze des natürlichen Landbaues vor uns. Wenn wir sie praktisch auswerten, ist die gröbste Arbeit getan.

14. Artikel, Winter 1956

„Fragen zum biologischen Landbau und was darauf zu antworten ist (Wissenschaft und Praxis im biologischen Landbau)“ 

1. Ist die Qualität des Stadtkompostes von einem Ausmaß, das seine Verwendung
gerechtfertigt ist?

Ob der Durchschnitt der Qualität der Stadtkomposte ausreicht, um die Qualität der
Kulturböden zu verbessern, kann derzeit weder bejaht noch verneint werden. Derzeit liegen die Dinge der Kompostierung auf dem Land genauso im Argen wie bei den Stadtkomposten, es ist noch viel Arbeit nötig, um in beiden Bereichen zur Qualitätsverbesserung zu kommen.

2. Ist Beimischung von Erde zu Stallmist zum Kompostieren nötig?

Kann Mist ohne Erde mit gleichem Erfolg geimpft werden wie mit Erde?
In tierischen Abfällen hat die lebende Substanz eine größere Dichte als in pflanzlichen; in
reinem Mist ist die Dichte zum Beispiel 100-200 mal so groß wie im Stroh. Bei der
Kompostierung von so dichtem Material geht der Abbau auch durch den Luftmangel zu weit und für die Lebensprozesse im Boden bleibt nichts mehr übrig. Durch die Beimischung von Stroh wird die Dichte vermindert, die Belüftung des Misthaufens verbessert, dazu eine Urgesteinsmehl-Zugabe im Stall, so haben die humuserzeugenden, luftliebenden Kleinlebewesen gute Lebensbedingungen. Die Beimischung von Erde hat den Hauptzweck die Dichte des lebendigen Materials noch mehr zu verringern, den Verlust an Gesamtmenge zu reduzieren und hängt davon ab, wie weit der Mist durch Einstreu schon vorher „verdünnt“ wurde. Je weniger Einstreu desto mehr Erdbeimischung, je mehr Einstreu desto weniger ist nötig.

Eine gute Erde wirkt wie eine Beimpfung mit Heilkräutern oder mit physiologischen
Bakterien. Je dichter die tierische Abfallsubstanz liegt, umso mehr werden die erwünschten biologischen Umsetzungsprozesse benachteiligt und die unerwünschten gefördert.

13. Artikel, Herbst 1956

„Stallmist oder Stallmistkompost (Wissenschaft und Praxis im biologischen Landbau“ 

Der biologische Landbau ist nicht denkbar ohne die richtige Behandlung der lebendigen
Dünger.

Es ist und bleibt eine unumstößliche Tatsache, dass der Unterschied zwischen Frischmist
und Mistkompost einen ganz entscheidenden Raum einnimmt im Denken des biologischen Bauern, dass sich hier wirklich entscheidet ob man die Methode ernst nimmt oder nicht.

Es gilt im biologischen Landbau als ausgemacht, dass dem kompostierten, mehr oder
weniger vollkommen verrottetem Mist unbedingt der Vorzug gebühre gegenüber dem sonst üblichen Verfahren, den Stallmist ungeachtet seines Zustandes auszubringen und
unterzupflügen. Man hat zweifelsfrei beobachtet, dass die Gewüchsigkeit und Gesundheit,
die Keimfreundlichkeit und Schädlingsfreiheit bedeutend gesteigert werden, wenn der Mist nicht stallfrisch aufs Feld kommt, sondern vorbehandelt wird.

Eigene zahlreiche Versuche haben ergeben, dass der Unterschied zwischen dem frischen
und dem vorbehandelten Stallmist ganz allein in dem Ablauf und der Entwicklung der
mikrobiologischen Umsetzungsvorgänge zu finden ist. Die Abbauphase ist im Frischmist
noch nicht vollzogen, während sie im Mistkompost bereits abgeschlossen ist. Auch die
Stickstoffversorgung durch den Mistkompost ist eine bessere, was im Ablauf der Vorgänge
zu suchen ist.

Der biologische Landbau will nicht Pflanzen „füttern“, einzig und allein um „Erträge“
einzuheimsen, sondern will Leben erzeugen, Lebensvorgänge in Gang halten und Nahrung
wachsen lassen nach den Gesetzen des Lebendigen. Das ist undenkbar ohne eine richtige
Führung der entscheidenden Lebensvorgänge in den organischen Düngern; erst wenn wir
erkennen, wie wichtig diese Lebensvorgänge für das natürliche Pflanzenwachstum sind,
werden wir wirklich biologischen Landbau betreiben können.

Bei Frischmistdüngung laufen die mikrobiologischen Vorgänge ungeordnet ab, eine solche
Erde ist unruhig, während die kompostversorgte ein einheitliches, ruhiges, mikrobiologisches Bild zeigt. In der Natur gehen die Abbauvorgänge an der Oberfläche von sich, die Aufbau- und Humusbildungsvorgänge in der tieferen Schicht der lebendigen Grume, also getrennt.
Die Pflanzenwurzel meidet streng alle Abbauschichten. Beim Einackern von frischen,
organischen Substanzen (Frischmistgründüngung) geraten Abbauvorgänge in tiefere
Schichten und erzeugen dort Unordnung, unter Luftabschluss entsteht Fäulnis und damit
Gift, das Pflanzenwachstum antwortet darauf zögerlich; daher ist diese Art von Düngung
falsch.

Reifkomposte können jederzeit eingearbeitet werden, da ihre abgeschlossene Reifung in der tieferen Schicht ihre Entsprechung findet. Nun hat aber die Haufenkompostierung bis zur völligen Vererdung in der Landwirtschaft ihre Schwierigkeiten: Arbeitsaufwand, Zeitaufwand, Masseverlust, möglicherweise Notwendigkeit von Frischmassezukauf.

Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass halbreife, noch in der Abbauphase befindliche organische Dünger ausgebracht werden können, wenn man darauf verzichtet sie einzuackern, sie unterzuarbeiten. Der Abbau erfolgt bei Luftzutritt an der Oberfläche und stört die Pflanzenwurzel nicht; die Aufbauphase vereinigt sich mit der Krümelstruktur zu neuem Humus.

Bei keinem anderen Verfahren lässt sich eine so ideale Art der Humusbildung beobachten
und die Belebung des Bodens geht auf keine andere Weise so rasch von sich. Man kann
also sagen, dass mikrobiologisch nichts dagegen und alles dafür spricht, organische Dünger noch in der Halbreife als Bodenoberschicht, also als Bodenbedeckung, zu verwenden.

Die ideale Form der organischen Düngung ist diejenige, die eine natürliche Schichtbildung
auf dem Feld bewirkt. Dazu gehört die natürliche Trennung von Abbauvorgängen in der
obersten und Aufbauvorgängen in der darunter liegenden Bodenschicht. Halbreife, noch in der Abbauphase stehende Dünger gehören ausschließlich auf die Bodenoberfläche,
eingearbeitet darf nur vollständig reifes, also vererdetes Material werden.

Der organischen Oberflächendüngung gehört zweifellos die Zukunft!
Bis jedoch dieses neue Verfahren zum Tragen kommt, hat die Mistkompostierung noch ihre volle Berechtigung. Die Kunst des Kompostierens wird aber trotz neuer Erkenntnisse immer ein Kernstück und Prüfstein für den organischen Landbau bleiben. Die Kunst des
Kompostierens liegt im richtigen Gleichgewicht zwischen Durchlüftung und Durchfeuchtung.

12. Artikel, Sommer 1956

„Vom Segen der Heilkräuter in der Landwirtschaft“ 

Das Leben auf unserer Erde nährt sich aus allen Elementen und allen Kräften, die zur
Verfügung stehen; es braucht die Strahlungsenergie der Sonne ebenso wie die Kraft der
Erde, es braucht den Wind, die Luft, das Wasser, das Licht, die Wärme. Und es braucht sie
so wie sie auf der Erde vorkommen. Daran ist grundsätzlich trotz aller menschlichen
Bestrebungen nichts zu ändern.

Das Leben braucht aber auch das „andere Leben“ auf der Erde, das sind die lebendigen
organischen Wirkstoffe, die die Lebewesen zu ihrem Schutz, Wachstum und Fortpflanzung
brauchen; feine, ungeheuer kompliziert zusammengesetzte Wirkstoffe in der notwendigen
Vollkommenheit und Menge, die brüderlich von einem zum anderen ausgetauscht werden.

Die Wirksamkeit der Heilkräuter, die zum größten Teil seit Jahrtausenden den Menschen
bekannt ist, beruht darauf, dass jedes von ihnen komplizierte Wirkstoffe besitzt, die für den Ablauf organischen Lebens irgendwie wichtig sind. Sie fördern auf eine uns noch meist unbekannte Weise natürliche Vorgänge des Wachstums, der Kohlehydratbildung, der Eiweißbildung, der Zellvermehrung, der Fruchtbarkeit und vieler anderer organischer
Vorgänge, die den Lebewesen eigen sind.

Die Zusammenarbeit der Lebewesen ist jedoch so organisiert, dass keiner seine Befugnisse überschreitet. Auf diese Weise werden die Lebensräume der Organismen gegeneinander abgegrenzt, ein jeder erhält den ihm zustehenden Platz an der Sonne, aber nicht mehr. Dem natürlichen Egoismus einer jeden „Spezies“ ist die Schranke gesetzt durch den Zwang zur Lebensgemeinschaft, das drückt sich auch in der Wirkung der Heilkräuter aus. Dort macht es nicht die Menge aus, sondern die heilenden Wirkstoffe gelangen nun in geringer Menge, ja meist nur in nicht nachweisbaren Spuren zu anderen Organismen und werden dort wirksam.

So gibt es zahlreiche Beziehungen von Pflanzen untereinander, Freundschaften und
Feindschaften bei Gemüse und Feldfrüchten, fördernde Wirkungen durch Beikräuter,
spezielle Baum- und Straucharten für verschiedene Böden (Bewaldung von Steppen). Es
gibt tausende von Beispielen auf wievielfältige, ja geheimnisvolle Art das Lebendige auf der Erde miteinander verwachsen und verwoben ist. Mit den Heilkräutern wird der Versuch gemacht, der natürlichen Wirkstoffe teilhaftig zu werden, in dem wir ihre Wirkungen auf Krankheiten unseres Körpers erproben.

Wohl am weitesten entwickelt ist diese Möglichkeit in den Lehren der Homöopathie: Heilen mit kleinsten Mengen von Wirkstoffen. Solche Heilkräuterwirksamkeiten wurden erprobt bei der Kompostbereitung, insbesondere durch die biologisch-dynamischen Präparate von Steiner: Kamille, Löwenzahn, Eichenrinde, Schafgarbe, Brennessel, Baldrian; aber auch andere Forscher, Lippert, Caspari, Bruce befassten sich mit diesem Thema mit vollem Erfolg. Auch hier genügen kleine Mengen, wenige Gramm Kräuter für Komposte üblicher Gartengröße.

Seit der begonnenen Erforschung der Spurenelementwirkung fangen wir an, etwas tiefer in die Geheimnisse der organisch-biologischen Substanzen zu blicken. Es darf uns daher nicht wundern, wenn winzige Mengen von Kräuterpulvern aus Wildpflanzen im lebendigen
Organismus „Komposthaufen“ enorme, ja entscheidende Wirkungen hervorbringen können. Für eine für den Menschen voll gültige Nahrung ist es nicht nur wichtig, dass die groben Nährstoffe vorhanden sind, die Eiweiße, Fette, Kohlehydrate, Vitamine, Minerale und Spurenstoffe, sondern auch die hochwichtigen organischen und lebendigen Substanzen, ohne die die Feinarbeit unserer Körpergewebe und -zellen allmählich zum Erliegen kommt.

Diese Stoffe aber vermittelt uns nur eine Pflanze, die selbst richtig ernährt wird, die selbst die Möglichkeit hat, ihren Zellen die vollkommene, die wirklich biologische Nahrung zu
verschaffen. Und dafür braucht sie unter anderem auch die Wirkstoffe aus dem
Pflanzenreich der Wildnis. Dies ist der Sinn der Anwendung von Heilpflanzenpräparaten in
der Landwirtschaft.