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6. Artikel, Sommer und Herbst 1954

„Fragen zur Umstellung auf die biologische Wirtschaftsweise“ 

„Wenn ein Bauer oder Gärtner seinen Betrieb auf eine biologische Bewirtschaftung umstellen will, so muss er sich zuerst darüber im Klaren sein, dass die Umstellung nicht mit einigen Rezepten durchgeführt werden kann, dass es nicht genügt, wenn man einfach auf den Kunstdünger verzichtet und stattdessen seinen Stallmist schlecht und recht kompostiert. Der biologische Landbau ist eine Lebensaufgabe und erfordert ganze Männer und Frauen, er muss weniger erlernt werden, als vielmehr erlebt und erarbeitet.“

Die Kunstdüngerwirtschaft nimmt den Bauern die Mühe des Denkens ab: Saatgut wird
geliefert, alle Jahre neu, Kunstdünger (wasserlösliche Mineralien), nach Hektar errechnet
wird geliefert, gleichzeitig die nötigen Schädlingsbekämpfungsmittel.

Der Boden wird als Pflanzenstandort betrachtet um dessen Innenleben man sich nicht zu
kümmern braucht, die Loslösung vom Boden ist vollzogen.

Die Mineralstoffleere gibt es seit rund 100 Jahren; als man entdeckt hatte, das man der
Kulturpflanze wasserlösliche Salze anbieten kann, ergriff die Industrie die Chance und
entwickelte ein Wissenschafts- und Vertriebssystem von beherrschendem Ausmaß. Die 4
Haupt- oder Kernnährstoffe N, P, K, Ca wurden in wasserlöslicher Form verabreicht, gefolgt
von den ebenfalls in wasserlösliche Form gebrachten Spurenelemente Cu, Fe, Mn, Al, Si,
Zn, Ni, Co, B.

In der Kunstdüngerwirtschaft besteht die einzige Brücke zwischen der Pflanze und der
Umwelt in dem Vorgang der Mineralstoffaufnahme in wassergelöster Form von der
behauptet wird, sie sei die einzige Form der Nährstoffaufnahme für die Pflanze überhaupt.

Angesichts dieser alles beherrschenden Kunstdüngerwissenschaft muss auch der
biologische Landbau eine Wissenschaft werden, denn anders lässt sich nun einmal in der
modernen Zivilisation nicht wirtschaften.

In der biologischen Landwirtschaft wird die Pflanze nicht gefüttert, das Ziel ist eine Pflanze
die von selbst wächst, das geht aber nur auf einem lebendigen Boden und deshalb steht im Mittelpunkt eines solchen Betriebes der Boden und immer wieder nur der Boden. Man muss ihn genau kennen, muss ihn riechen und anfühlen lernen, man muss wissen was ihm fehlt und was er haben muss um gesund zu sein, man muss sein Leben spüren lernen und
wissen, das aus ihm alles Lebendige kommt und in ihm alles Lebendige endet. Erst dann
kann man biologisch denken, fühlen und arbeiten, erst dann verwächst die ganze Familie mit der fruchtbaren Erde und erst dann wird aus einem „Betrieb“, aus einer Pflanzenfabrik, ein Bauernhof.

Worin liegt der Unterschied zwischen künstlicher und natürlicher Bodenwirtschaft? Der
Unterschied liegt in der Betrachtungsweise des Stoffwechsels der Pflanze:

Der Chemiker hält das Düngesalz für die einfachste, billigste, bequemste und natürlichste Art der Düngung, denn er glaubt, dass er mit dem Mineralstoff der Pflanze alles gibt, was sie zum natürlichen Wachstum braucht. Für den Chemiker besteht die einzige Brücke zwischen der Pflanze und der Umwelt in dem Vorgang der Mineralstoffaufnahme.
Der Biologe erkennt die enge Bindung zwischen Pflanze und Boden und erkennt diesen als
den Nährstofflieferanten für alle Bedürfnisse der Pflanze. Alles was sie braucht schöpft sie
aus dem Kreislauf des Bodens und seiner lebendigen Substanz, auch die Mineralstoffe.
Daher ist der Boden durch die Bewirtschaftung in den Zustand zu versetzen, dass er dies
bewerkstelligen kann.

Die Hauptmaßnahme den Bodenzustand in ein Optimum zu bringen, ist jedwede Art von
Kompostierung, die ein Vorverdauen organischer Abfälle in Richtung Humus darstellt.
Gesunde und reichhaltige Komposte bringen außerdem Ersatz an lebendiger Substanz auch eine biologisch genau und richtig dosierte Menge von Mineralien mit, eingebaut in die Gebilde der lebendigen Substanz ­ also nicht isoliert.

Auf diese Weise wird dem Boden an Mineralsubstanz genau das wiedergegeben, was ihm
die Pflanze entzieht, ein Mangel kann nicht auftreten. Ein direktes Aufbessern des
Mineralhaushaltes des Bodens geschieht im biologischen Landbau durch den Einsatz von
Urgesteinsmehlen, die nicht direkt wirken, sondern von den Lebewesen des Bodens
aufgeschlossen werden müssen.

Welche Folgeerscheinungen treten bei der Kunstdüngung auf?
Abbauerscheinungen: Das Saatgut verliert seine immerwährende Keimkraft, man braucht
immer wieder frisches. Die Pflanze verliert die Fähigkeit Abwehr- und Schutzstoffe zu bilden, die Krankheitsanfälligkeit nimmt zu und zwingt zum Einsatz von Gift. Die Pflanze verliert die Fortpflanzungsfähigkeit (Samenbildung).

Die richtige pflanzen- und bodenerwünschte Dosierung der Mineraldünger (Hauptnährstoffe und Spurenelemente) ist nahezu unmöglich. Der Mineralhaushalt des Bodens kommt in Unordnung, chronische Bodenschäden treten auf.

Man kann eine Kulturpflanze also nur richtig ernähren wenn man nicht in den
Stoffwechselprozess zwischen Boden und Pflanze eingreift. Die Kunstdüngung ist in keinem Fall eine normale Ernährung des Bodens, erst recht nicht eine normale Ernährung der Pflanze. Es gibt keinen Kompromiss zwischen Kunstdüngung und biologischem Landbau ­ man kann nur das eine oder das andere tun.

5. Artikel, Frühling 1954

„Die lebendige Substanz als Grundlage der Gesundheit“ 

Das Wesen einer Krankheit ist zu begreifen im Wesen des Lebendigen selbst.
Das Lebendige offenbart sich uns als das, was wir lebendige Materie nennen und tritt in seinen höheren Organisationsformen (Pflanze, Tier, Mensch) für uns sichtbar in Erscheinung.
Keine dieser Organisationsformen ganz gleich ob es sich um Tiere, Pflanzen oder Mikroben handelt, existiert als isoliertes Individuum, sondern ist ebenso Teil eines unbegreiflichen Ganzen, wie die lebendige Materie an sich in allen ihren Erscheinungsformen einem höheren Gesetz gehorcht.
Das tiefste Wesen der Krankheit aber ist nur zu begreifen als ein Heraustreten aus der biologischphysiologischen Ordnungsgemeinschaft der unteilbaren Ganzheit „Schöpfung“.

Die Medizin des vorigen Jahrhunderts hat die Krankheit zunächst als individuelle pathologische Erscheinung betrachtet und sie meist mit Chemieeinsatz bekämpft und die allgemeine und die individuelle Hygiene begründet.

Die Erfolge dieses Bestrebens waren u. a. die aseptische Operation, die Asepsis bei Geburt und Wochenbett und die Ausrottung vieler Seuchen.
Entartungserscheinungen beginnen sich jedoch zu zeigen.
Zunehmende Entartungserscheinungen hingegen werden sichtbar bei den Kulturpflanzen und beim Humusorganismus des Ackerbodens.
Was die Natur macht ist immer richtig.
Und wenn es auf der Erde Krankheitserreger und Schädlinge gibt, so hat das einen guten Grund.
Es wäre ganz widersinnig anzunehmen, sie seien prinzipiell unerbittliche Feinde gesunder Lebewesen.
Sie sind in Wirklichkeit die Feinde des nicht mehr Gesunden.
Wenn wir die Ursache von Krankheiten suchen, so finden wir sie nicht in Form der Erreger, die den einzelnen Organismus zerstören, sondern innerhalb dieses Organismus selber.
Krankheitskeime gibt es immer und überall.
Es wäre sinnlos sich vorzustellen, dass man sie ausrotten könnte.
Mit ihrer Hilfe erhält die Natur ihre biologische Ordnung und wo sie in Massen auftreten, da ist diese Ordnung gestört.

Die biologische Wertigkeit bzw. die Gesundheit eines Organismus liegt in seinem Bestand an lebendiger Materie begründet bzw. im lebendigen Gehalt aller seiner verschiedensten Zellkerne.
Eine Schwächung bzw. Degeneration der Zellkerne wird sehr leicht durch Fehl- oder Mangelernährung bzw. Behinderung des natürlichen Stoffwechsels herbeigeführt.

Die Ernährung der Zelle erfolgt zum Teil anorganisch, sie ist imstande wasserlösliche Verbindungen aufzunehmen und in lebendige Materie zu verwandeln, sie nimmt aber auch lebendige Substanz in erheblicher Molekülgröße auf.
Lebendige Substanz: Darunter werden alle spezifischen und unspezifischen Molekülverbände verstanden, die zwar biologisch unterhalb der Funktionseinheit „Zelle“ stehen, sich aber im Gegensatz zu mineralischen Riesenmolekülverbände durch typische Lebensäußerungen unterscheiden.
Sie sind im Lichtmikroskop sichtbar wenn sie in Riesenmolekülverbänden auftreten.
Wir betrachten die regelmäßige Aufnahme spezifischer lebender Substanz von bestimmter biologischer Prägung als Voraussetzung für die Erhaltung der biologischen Wertigkeit aller Organismen und ihrer Zellkerne, also die Voraussetzung für die echte biologische Gesundheit.
Da aber heute auf der Erde jedes Lebewesen von der Substanz anderer Lebewesen lebt, ist der Kreislauf der lebendigen Substanz im Ganzen für die Gesundheit entscheidend, denn jedes Lebewesen ist ausnahmslos abhängig von der biologischen Vorarbeit derjenigen Organismen, die ihm zur Nahrung dienen.
Die Gesundheit des Menschen ist daher absolut abhängig von der Gesundheit der von ihm verzehrten tierischen und pflanzlichen Nahrung und diese weiterhin von der Gesundheit des Bodens bzw. von dessen lebender Substanz, die Letztere hervorbringt.
Die Regulierung dieses Gesundheitszustandes wird von Mikroben geleistet, von denen es biologisch gesehen 3 große Gruppen gibt:

  • die physiologischen Bakterien
  • die abbauenden Bakterien
  • die pathogenen Bakterien (Krankheitserreger)

Die physiologischen Bakterien bauen auf, überall dort, wo lebende Substanz in wachsende Organismen aufgenommen wird.

Die abbauenden Bakterien verwerten jede organische Abfallsubstanz, woher sie auch kommen mag (Mist, Kompost).

Die pathogenen Bakterien zerstören alles was von der biologischen Norm abweicht (Degeneriertes).
Wenn es gelänge über den Weg der normalen Nahrung genügend von physiologischen Bakterien aufgebaute lebende Substanz laufend sicherzustellen, müsste vielen Erkrankungen der Boden entzogen werden.
Ohne die Arbeit der physiologischen Mikroben kann es keine gesunden Lebewesen geben.
Es muss daher unser Bestreben sein, die biologische Wertigkeit von Pflanzen und Tieren, welche uns zur Nahrung dienen auf der biologischen Höhe zu halten und dafür zu sorgen, die Lebensspendende Humusschicht unserer Erde als wichtigstes biologisches Regulativ gesund und leistungsfähig zu erhalten.

4. Artikel, Winter 1953

„Bodenwissenschaft und Kunstdünger“ 

1. Liebing entdeckt vor ca. 150 Jahren die Fähigkeit der Pflanze wassergelöste Salzverbindungen von Elementen aus dem stets vorhandenen Bodenwasser aufzunehmen und als Nährstoff zu verwenden. Diese Erkenntnis wurde zur Grundlage aller Kunstdüngerentwicklung, die zu einem fast ausschließlich angewandten Verfahren wurde. Gestützt auf Liebigs Erkenntnis entwickelte  die Kunstdüngerindustrie und ihre wissenschaftlichen Stützen den Grundsatz, dass die Pflanze nur wassergelöste Mineralverbindungen aufnehmen könne und dass diese das einzig richtige Futter für sie seien.

2. Kluge Bodenkundler aus aller Welt erhoben Bedenken:

a)Gegen eine schrankenlose Verwendung von Mineralsalzen als Hauptbestandteil einer nicht natürlichen Dündung und damit die Gefahr der Überdüngung

b) Es wurde beobachtet: Der Verfall der Krümelstruktur, eine vermehrte Bildung ungebundener mineralischer Feinsubstanz mit Verkrustung, Vorschlämmung und Verdichtung der Böden, Verschwinden der Regenwürmer, Abhängigkeit von regelmäßigen Niederschlägen steigt, Kunstdüngerböden verarmen an Mikroorganismen, Schädlinge und Pflanzenkrankheiten wurden allmählich zu einer alljährlich und überall drohenden Gefahr, gegen die man mit teils schweren Giften zu Felde ziehen musste, ohne ihrer Herr zu werden. Dies allein sollte zu denken geben, das im Düngesystem schwere Fehler zu suchen sind.
3. Ein solcher ist die zwangsweise Verabreichung von oft stoßweise zugeführten Salzen, die die Pflanze zum Geilwuchs treiben. Ein solcher ist die totale Vernachlässigung des Bodens und seines Lebens, seine Herabsetzung zum Pflanzenstandort. Jede Bodenwissenschaft wird überflüssig gemacht und mit ihr das tausendfältig wechselnde organisch produktive Leben des Erdbodens.

4. Es gibt im natürlichen lebendigen Boden von selbst kaum nennenswerte Mengen wasserlöslicher Mineralien. Was die Pflanze für den Aufbau ihres Organismus und zur Bindung ihrer Wirkstoffe braucht, holt sie sich durch einen echten Verdauungsvorgang selbst aus dem Boden und seinen unlöslichen Mineralien heraus. Der Kunstdünger vermag niemals die aktive Arbeit des Organismus Pflanze nur annähernd zu imitieren und die Mineralaufnahme so fein zu regulieren, wie es die gesunde Pflanze auf dem gesunden Boden von selbst tut.

5. Der Organismus Pflanze ist auf den Organismus Boden angewiesen, aus ihm holt sie ihre Nahrung, der Organismus Boden ist aber genauso auf den Organismus Pflanze angewiesen, die Wurzelhaare der Pflanze sind das Futter der Bodenmikroorganismen,  ohne Wurzeltätigkeit der Pflanze stirbt der Boden, es tritt Inkohlung (Vertorfung) ein. Der Kunstdünger zerstört dieses grundlegende Kräftespiel zwischen den Organismen.

6. Man muss der Pflanze die Auswahl der Mineralstoffe selbst überlassen, soll sie gesund bleiben. Jede Überdosierung führt zu Schädigungen, Versuche mit wasserlöslichen Spurenelementen haben das deutlich gezeigt. Es ist daher schwer, wenn nicht unmöglich, die Salzdünger so zu dosieren, dass die Dosis den natürlichen

Wachstumsgesetzen und Ansprüchen der Pflanze entspricht. Gibt man aber der Pflanze Gesteinsmehle, die die Spurenelemente in ihrer ursprünglichen ungelösten Form enthalten, so löst sie sich das heraus was sie braucht und nicht mehr, alles zuviel bleibt in ungelöster Form im Boden.

7. Versuche auch in USA haben ergeben, dass Pflanzenwurzeln imstande sind, Mineralien auch ohne Vermittlung des Wassers aufnehmen zu können. „Wenn der Humus keine wassergelösten Mineralsalze enthält, wenn eine zu große Gabe von Salzen zu Überdosierung und Schaden der Pflanze führen kann, wenn die nicht-löslichen Mineralien aber niemals zur Überdosierung in der Pflanze führen und wenn schließlich nachzuweisen ist, das die Pflanze Mineralien sogar ohne Wasser in ihre Säfte überführen kann, dann muss die Meinung der Kunstdüngerwirtschaft „Die Pflanze bedürfe zum Leben wassergelöste Mineralien“ falsch sein. Folglich ist die Kunstdüngung ein nicht-natürliches Düngeverfahren und widerspricht den Wachstumsgesetzen.

8. Eine weitere Behauptung der chemisch anorganischen Düngelehre: Die Pflanze kann keine organische Substanz aus dem Boden aufnehmen. Diese Behauptung ist von einer ganzen Reihe von Forschern in Europa und USA, beginnend bei Virtaanen mehrfach widerlegt worden. Die Versuche haben ergeben, dass die Pflanze alle organischen Riesenmoleküle bis zu den größten unverändert als Nahrung verwertet.
Alle Lebewesen können organische Substanz von anderen Lebewesen empfangen und verwerten. Diese organische Nahrung wird der Pflanze vom Boden vorbereitet, sie gedeiht daher umso vollkommener je mehr sie sich auf die Vorarbeit des lebendigen Bodens verlassen kann, der ihr die Nahrung reicht. Aufgabe der Düngung ist also Bodenpflege: Düngen heißt nicht die Pflanze füttern, sondern den Boden lebendig machen (Dr. Caspari). Toter Salzdünger kann nur Mineralstoffe vermitteln, nicht aber organische Substanz. Die Zeit ist nicht mehr fern wie es scheint, da wir zu Humuswirtschaft in einer modernisierten Form zurückkehren werden.

9. Was man Humus nennt, ist die Stätte an der die Pflanzennahrung bereitet wird. Das ist der Organismus, der die letzte Vorarbeit leistet für die vollkommenere Ernährung
der Pflanze besser als es die beste chemische Fabrik jemals können wird.
Was aber ist Humus?

Bildung der Krümelstruktur und Bildung der Gare sind identisch mit einer echten Humusbildung. Krümel ist eine Ehe zwischen Mineral und lebendiger Substanz.
Humus ist ein lebendiges Gewebe, das Unterste im Mineralreich, identisch mit den höheren im Pflanzen- und Tierreich. Der Humus hat eine Art von Gefäßsystem in Form von Hohl- und Kapillarräumen, in denen Wasser, Kohlensäure, Sauerstoff, Stickstoff und Mikroben bewegt werden und das die Atmung des Humus sichert. Zu seinem Wachstum braucht das Humusgewebe bestimmte Mineralien, die wichtigsten sind Ton und Kalk sowie ein Angebot lebendiger Substanz, die aus dem Zerfall niederer und höherer Organismen hervorgeht. Der Humus bildet sich nur in Gegenwart der Elemente Silizium und Kohlenstoff, ein offensichtlicher Hinweis das die Bildung des Gewebes Humus bereits in einem Zeitalter erfolgte, in der das Silizium noch eine größere Rolle gespielt hat als der Kohlenstoff. Heute ist es in der lebendigen Welt umgekehrt. Die lebendige Substanz gebildet aus dem Zerfall von organischer Masse muss jedoch einen Reifungsprozess durchmachen, durch Bakterien und Pilze, ehe sie die Fähigkeit zur Krümelbildung erlangt. Voraussetzung für die Humusbildung ist also neben den mineralischen Baumaterialien die Reifung der lebendigen Substanz bis zur Krümelfähigkeit und damit zur Vollwertigkeit als biologische Pflanzennahrung.

 

10. Wird der Lebensprozess der Humusbildung durch Mineralsalze gestört?

Wasserlösliche Mineralien verschieben unmittelbar das elektrische Potential des Bodens und damit die Lebensbedingungen für die Bodenkolloide. Wer kunstdüngt vernachlässigt den Boden weil er ihn nicht mehr braucht, er füttert ihn nicht mehr  mit organischer, mit lebender Substanz, ohne sie aber gibt es keine Humusbildung. Die Humusbildung wird durch die Kunstdüngung zwar nicht sofort, im Verlauf mehrerer Jahre aber mit Sicherheit verhindert, weil Letztere ebenso brutal in das Wachstum des Gewebes Humus eingreift wie in das Wachstum des pflanzlichen Gewebes.

3. Artikel, Herbst 1953

„Die biologische Qualität der Nahrungs- und Futterpflanzen“ 

Das Tier in der freien Wildbahn wird bei der Nahrungssuche von seinem ihm angeborenen Instinkt gelenkt. Der Mensch hat das Instinkthandeln ersetzt durch ein ganz individuell gestaltetes Wollen und Denken und sich so einen gesicherten Lebensbereich geschaffen.

Die Grenze, die diesen Lebensbereichen bei Mensch und Tier gesetzt ist, besteht darin, dass das Leben auf der Erde sich nach Gesetzen bildet und erhält, die nicht wir geschaffen haben, sondern die schon waren, ehe es uns gab und die sein werden, wenn es uns nicht mehr gibt.

Landbau und Viehzucht finden also wie jedes Menschenwerk ihre natürliche Grenze in den Gesetzen des Lebendigen, die uns nicht unterstehen. Der Mensch kann die Naturgesetze für seine Zwecke anwenden wie er will, aber er kann ohne sie nicht regieren, denn er ist ihnen unterworfen wie auch Tier und Pflanze. Eine solche natürliche Grenze ist auch die biologische Qualität, die wir bei Nahrungs- und Futterpflanzen suchen.

Die biologische Qualität ist eine Ganzheitsfunktion, die nicht mit Zahlen, Tabellen oder chemischen Analysen messbar ist, da sie eine geistige Größe darstellt.

Wir dürfen eine Pflanze biologisch nennen, wenn sie imstande ist, alle ihre biologischen Funktionen zu erfüllen, die derzeit nur zum Teil bekannt sind. Die 3 wichtigsten:

1. Die Funktion erbgesunder Fortpflanzung, Sorten, die dem Abbau unterliegen sind nicht erbgesund
2. Die Funktion der Selbsterhaltung, Pflanzen, die mit Spritz- und Beizmittel vor Schädlingen geschützt werden müssen um sie am Leben zu erhalten, erfüllen die Funktion nicht
3. Die funktionelle Wirkung auf andere Organismen: biologische Nahrungspflanzen müssen appetitanregend auf Mensch und Tier wirken, dürfen keine Beschwerden verursachen und müssen die Gesundheit des Wirtes stärken

„Nur eine gesunde Kulturpflanze ergibt bei richtiger natürlicher Düngung ohne künstliche Triebmittel und ohne Pflanzenschutz einen guten Ernteertrag.“ (Bauernweisheit)

Nicht nur in der Wildnis herrscht das Gesetz, dass das Nichtbiologische zugrunde geht, sondern auch auf unseren Äckern. Und wenn wir glauben, uns von diesem Gesetz lösen zu können, so wird sich das früher oder später als Irrtum erweisen müssen. Die Landwirtschaft der Zukunft wird die biologische Hochwertigkeit zur Forderung Nummer 1 erheben, oder sie wird ihre eigentliche höchste Aufgabe an der Menschheit nie erfüllen können.

2. Artikel, Sommer 1953

„Der Kreislauf der Bakterien als Lebensprinzip“

Alles Krankheitsgeschehen ­ mit Ausnahme der Verletzungen ­ hängt aufs engste mit der Unterbrechung des natürlichen Bakterienkreislaufes zusammen.“

Heute eine Selbstverständlichkeit, damals kühn und scheinbar unbewiesen.

Von der Analyse toten Gewebes ausgehend, hat sowohl die Entwicklung der Medizin als die von J. von Liebig begründeten Agrikulturchemie seit mehr als hundert Jahren zur Ausbildung und zum Betrieb einer beherrschenden chemischen Industrie geführt, die das Leben von Mensch, Tier und Pflanze wesentlich dirigiert.“

Die Ernährung des Menschen wird errechnet nach Eiweiß, Fett und Kohlehydrate, Vitamine, Fermente, Enzyme, Hormone und Spurenelemente die Ernährung der Pflanze nach Stickstoff, Phosphor, Khali, Kalk, weiters Mg, S, Ei, Bo, Mn, Ku und Ko.

Die Ernährung von Mensch, Tier und Pflanze wird chemisch errechnet und vielfach chemisch vollzogen.

Die Zunahme der Zivilisationskrankheiten geht mit diesen Vorgängen parallel, auch diese werden beim Auftreten der Symptome bei Mensch, Tier und Pflanze mit Chemie behandelt, die Bekämpfung von Krankheitserregern aller Art Bakterien, Viren u.a.m ist in vollem Umfang im Gange.

Bei diesem seit mehr als hundert Jahren im Volleinsatz befindlichen Chemie-System wurde das Leben der Bodenflora und der Mycorrhizapilze als lebende Brücke zwischen Boden und Pflanze nicht beachtet. Kein einziger Düngungsversuch von Liebig und seinen Mitarbeitern und Nachfolgern wurde unter Berücksichtigung des wesentlichen Anteils der Bodenflora an
der Gesundheit von Boden und Pflanze durchgeführt. Die Erhaltung der physiologischen Bakterienflora (Symbiontische Mikroben) muss aber von jeder Düngemethode gefordert werden.

Das Wesen der physiologischen Bakterien ist eindeutig: Sie sind für das besiedelte Lebewesen unschädlich und besitzen Eigenschaften, die dem besiedelten Wirt nützlich und unentbehrlich sind. Ihre genaue Kenntnis wird gefordert! Die Bedeutung hochwertiger physiologischer Bakterien in der Lebensphäre des Menschen ist sehr groß.

Die physiologische Bodenflora ist abhängig vom pH-Wert Optimum 7,2, die Kunstdünger sind elektrolytisch wirksame Substanzen und vermindern den pH-Wert.

Alle bakterientötenden Substanzen (Schädlingsbekämpfungsmittel, fäulniswidrige Chemikalien, zum Teil die Kunstdünger, Medikamente aus Menschen- und Tierbehandlung) bewirken eine Schwächung der Bodenflora bis zu deren Entartung oder gar Absterben. Physiologische Bakterien werden fallweise auch von der Pflanze aufgenommen, ihr Gesundheitszustand ist dann maßgeblich für deren Gedeihen.

Die Kenntnis hochwertiger Bodenbakterien gibt uns das wertvollste Kriterium für Schaden und Nutzen der Bodenkultur an die Hand.

Was der Bodenflora schadet, das schadet auch Pflanze, Tier und Mensch. Diese
Erkenntnis muss sich durchsetzen!


Das gemeinsame Kriterium ist die gleichsinnige Besiedelung aller Lebewesen mit Bakterien und die gleichsinnige Tätigkeit der Mikroben des Bodens. Die Heimat der Bodenmikroben aber ist der Humus, eine möglichst umfangreiche Humusvermehrung ist daher anzustreben.

1. Artikel, Frühjahr 1953

„Das Verfahren der biologischen Bodenuntersuchung“

Der Mensch lebt von Pflanzen direkt oder auf dem Umweg über das Tier. Dauernde echte
Gesundheit ist nun vornehmlich eine Frage der Ernährung, wobei die weitaus größte Rolle
der Zustand der Nahrungs-Pflanzen selbst spielt, also ihre biologische Wertigkeit. Diese
Wertigkeit hängt aber wiederum vom Zustand des Bodens ab, auf dem die Pflanze wächst.
Letzen Endes bestimmt also der biologische Zustand des Bodens unsere Gesundheit. Wer
nach Ursachen von Verfallserscheinungen bei Pflanzen, Tieren und Menschen sucht, muss
beim Boden anfangen, aus dem alles Lebendige stammt.

Rusch hat somit im ersten Artikel seiner langen Artikelserie und in dessen ersten Satz
bereits das gesamte Thema des biologischen Landbaues umfassend dargetan.
Sein Bestreben ging daher dahin, ein Verfahren zu entwickeln durch das man den
Gesundheitszustand von Kulturböden beurteilen konnte. Mit den gängigen Mineral-Analysen war das nicht möglich.

Die Gesundheit von Mensch und Tier ist abhängig vom Gesundheitszustand der
Ernährungspflanze und ihrer geleisteten Vorarbeit, diese wiederum ist abhängig von der
Vorarbeit, die vom Organismus Ackerboden geleistet wird.

Der Organismus unserer Kulturböden ist ein ungeheuer kompliziertes lebendiges Gebilde
dessen wirkliches Wesen wir wissenschaftlich bisher nicht umfassend kennen und dessen
Zustand nur mit biologischen Methoden zu erkennen ist. Der biologische Wert eines
Kulturbodens hängt ab von der Menge und Qualität der lebendigen Vorgänge, die in ihm
stattfinden. Die Gesundheit der Pflanze ist daher abhängig von der Menge und Qualität der
Lebensvorgänge und der Menge und Güte der lebendigen Substanzen im Kulturboden.
Jeder biologische Fehler des Kulturbodens wird mehr oder weniger auf die Pflanze
übertragen.

Rusch hat demnach ein Verfahren entwickelt, den sogenannten Rusch-Test, der seinen
Anforderungen an ein solches Mess-System entsprach. Im Rusch-Test wird die biologische
Menge und Güte des Bodens gemessen und nicht der Anteil an chemischen Nährstoffen. Ein fruchtbarer Boden enthält große Mengen von hoch entwickelten lebendigen Substanzen, vielfach aus Bakterien und deren Abfallprodukten bestehend. Ihre Summe ist der wahre Humusgehalt des Bodens.

Der Verfahrensablauf zerfällt in 2 Teile:
1. Die absolute Menge dieser hoch entwickelten Lebenssubstanzen des Bodens lässt sich
durch Messmethoden bestimmen.
2. Die Qualitätsbestimmung der biologischen Wertigkeit des Bodens erfolgt auf dem Umweg über die physiologischen Bakterien (Wurzelsymbionten).

Auswertung des Verfahrens:
1. Kontrolle der Düngemaßnahmen
2. Kontrolle der Produktgüte über den Weg der Bodengüte
3. Kontrolle für jede Kompostierung
4. Kontrolle für alle Gesundungsvorgänge und alle Fehlentwicklungen im Boden

In der unberührten Natur werden alle diese Aufgaben der biologischen Regulation durch
den gesunden Humus erfüllt. In den meisten Kulturböden ist er Mangelware geworden. Sein Fehlen bewirkt zwangsläufig eine fortlaufende Vermehrung von unerwünschten Substanzen pathogene Bakterien, Viren und anderes mehr) und zunehmende Abbauerscheinungen bei Pflanze, Tier und Mensch. Jedem Abbauvorgang wird daher am wirksamsten mit Regeneration des Humus begegnet.“

Bio Pionierin Helga Wagner feiert ihren 90. Geburtstag in Ybbsitz

Die Förderungsgemeinschaft für gesundes Bauerntum – ORBI lud anläßlich des 90. Geburtstages von Frau Arch.Ing. Helga Wagner zu einer offiziellen Feier nach Ybbsitz ein.

Es war ihr ausdrücklicher Geburtstagswunsch, den Hof der Fam. Brauner in Ybbsitz, am Gut Neham in der Prolling, zu besuchen. Diesen Hof bewirtschaftet jetzt Ing. Wolfgang Brauner, der Sohn von DI Heinrich Brauner, mit seiner Gattin.

Der Bio Pionier DI Heinrich Brauner hat mit der Broschüre „Die Grundlagen des organisch-biologischen Landbaus“ ein heute noch gültiges Standardwerk für den Biolandbau verfaßt. (Diese Broschüre wurde 2010 von Orbi neu herausgegeben)

Zu einem guten Essen im Gasthaus Pichler lud der Vorstand von Orbi auch den Bundesobmann von Bio Austria, Rudi Vierbauch, die Landesobleute von Bio Austria OÖ und NÖ, den Leiter der Austria Bio Garantie DI. Hans Matzenberger, sowie Vertreter der BIO-Landwirtschaft Ennstal ein.

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Nach festlichen Ansprachen von Orbi-Obmann Josef Kühböck, Dr. Gebhard Rieger, BA-Obmann Vierbauch, sowie Obmann Martin Tragler und Ing. Wolfgang Brauner besuchte die Gesellschaft den Hof Neham, wo DI Heinrich Brauner gelebt und für den Biologischen Landbau schon in den 60er Jahren gewirkt hat.

Er war Gründungsmitglied und auch der erste Obmann der Förderungsgemeinschaft für gesundes Bauerntum – des Orbi Verbandes.

In entspannter Atmosphäre bei einer Nachmittagsjause konnten Frau Helga Wagner, Herr Gebhard Rieger und Herr Wolfgang Brauner den anwesenden Besuchern viele Erinnerungen aus den Anfangsjahren des Biolandbaus schildern.

Wir gratulieren Frau Ing. Helga Wagner zu ihrem 90. Geburtstag

Ein Leben für den biologischen Landbau und ein Leben für die Gesundung des Bodens als Träger des Lebens auf unserer Erde

Eigentlich haben wir alle es nicht glauben können: Ende Mai dieses Jahres feierte Arch. Ing. Helga Wagner ihren 90iger! Natürlich wurde sie von vielen Seiten, von kompetenten Stellen, von Vereinigungen und Bioverbändern, Gartenrunden, Freunden und Bekannten herzlichst beglückwünscht und ihre Leistungen für den Biolandbau entsprechend gewürdigt. Dennoch möchten auch wir von der Förderungsgemeinschaft für gesundes Bauerntum und seitens des ORBI-Bauernladens uns den Glückwünschen gerne anschließen und dies mit den folgenden Zeilen versuchen.

P6020045kleinHelga Wagner wuchs in Linz-Kleinmünchen auf, wo ihr Großvater einen Betrieb besaß, dem auch ein Feld- und Gartenland angeschlossen war, das von ihrer Mutter professionell betrieben wurde und zu dem Obstbäume, Gemüsebeete, Ackerflächen, Feldgemüse und allerlei Nutztiere gehörten.

Nach dem Besuch des Realgymnasiums mit Maturaabschluss und dem Besuch der Landfrauenschule in Miesbach/Oberbayern folgte eine landwirtschaftliche/gärtnerische Lehrzeit zunächst im Badischen, dann im oberösterreichischen Salzkammergut und schließlich im Landwirtschafts- und Gärtnereibetrieb Loheland bei Fulda.

Dieser wurde nach Rudolf Steiners Empfehlungen bewirtschaftet, so dass es Helga möglich wurde, die für diese Bearbeitung des Bodens notwendige Herstellung der Präparate kennen zu lernen. Helga Wagner war es auch, die in der Folge die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise nach Österreich gebracht hat.

1946 begann sie eine Ausbildung an der Höheren Bundeslehr- und Versuchsanstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau in Klosterneuburg, Niederösterreich, eine dreijährige Anstellung in einer Baumschule und Gartengestaltungsfirma in der Schweiz folgte. Kontakte zum „Goetheaneum“ in Dornach mit der Vertiefung ihres biologisch-dynamischen Wissens waren möglich und wurden genützt. Sie baute damals ihre Verbindungen zu den in Fachkreisen hoch geschätzten Persönlichkeiten wie Ehrenfried Pfeiffer aus den USA, Erika Riese, Alwin Seifert, Nikolaus Reiner und Joseph Werr auf. Im Herbst 1951 kam sie an das Gartenamt der Stadt Linz, das für bis zu 350 Hektar Boden und rd. 260 Bedienstete verantwortlich war. Dort traf sie auf einen für ihre Ideen besonders aufgeschlossenen und verständnisvollen Chef: dieser stand früher ebenfalls mit Alwin Seifert in Verbindung.

So wurde es ihr ermöglicht, in Linz die Abfall- Kompostierung unter Verwendung des Steinmehls zu entwickeln, die später weltweites Interesse fand und Linz zu einem „Wallfahrtsort“ für biologische Kompostierung werden ließ. Obgleich Helga Wagner für diese großartige Entwicklung allein zuständig und verantwortlich war, gelang es ihr immer mehr auch amtliche Stellen für dieses einzigartige Verfahren zu interessieren.

Die Vermeidung jeglicher Kunstdüngeranwendung und des Einsatzes giftiger Spritzmittel sicherte dieser Kompostierungsmethode auch einen markanten wirtschaftlichen Erfolg. Helga Wagner fand damit Anerkennung und Wertschätzung auch in Form ehrender Auszeichnungen.

Zur Arbeitsgruppe der organisch-biologisch wirtschaftenden Bauern stieß Helga 1967 anlässlich eines Vortrages von Alwin Seifert in Linz. Sie erkannte die große Bedeutung des Modells der Bewirtschaftung des Bodens nach der Methode Dr. Müller/Schweiz und hielt als Vorstandsmitglied der Fördergemeinschaft auch dann die Treue, als ein Zerwürfnis zwischen Ing. Willi und Dr. Müller zu einem Bruch zwischen Förderungsgemeinschaft und der neuen Gemeinschaft biologisch wirtschaftender Bauern führte.

Dass die „Förderungsgemeinschaft“ in der Folge die überaus wichtige Vorreiterrolle für den biologischen Landbau in Österreich übernehmen konnte, war vor allem auf den großartigen Einsatz von Helga Wagner zurückzuführen!

So wurde erstmals in Österreich ein staatlich geschütztes Markenzeichen (ORBI) für die Bauern dieser Gemeinschaft geschaffen und als Gütesiegel eingeführt. Es gelang, die Richtlinien für die Bezeichnung von „Produkten aus biologischem Anbau“ für den staatlichen „Lebensmittelkodex“ Österreichs vorzugeben. Es wurde für die bäuerlichen Mitgliedsbetriebe Direktvermarktungsläden (ORBI-Läden) auf zwei Linzer Großmärkten geschaffen.

Auf die so wichtige Ausbildung der Bauern in Kursen, Seminaren, Vorträgen, Beratungen und Hofbegehungen legte Helga besonderen Wert, aber auch auf die nicht weniger wichtige Vermittlung geistiger Grundhaltungen und Werte wie Nachhaltigkeit, Ganzheitlichkeit, Verantwortung gegenüber der Schöpfung, Denken in größeren Zusammenhängen und Zeiträumen, in geschlossenen Kreisläufen und vor allem des Wertes, Anwalt des Lebendigen zu sein, also in und mit der Natur zu arbeiten und nicht gegen sie!

Als Mittler und Träger für diese Grundhaltungen hat Helga Wagner die Zeitschrift „Der bäuerliche Pionier“ ins Leben gerufen, eine Zeitschrift, der alle, Bauern, Konsumenten, Gärtner oder auch einfach nur Freunde der Förderungsgemeinschaft größte Anerkennung entgegenbringen.

Wenn heuer „Der Bäuerliche Pionier“ im 34.(!) Jahrgang erscheinen kann, so ist dies alleiniger Verdienst Helga Wagners wofür wir ihr allergrößten Dank und Bewunderung schulden.

Nach und nach fand so der Biolandbau in Österreich durch das unermüdliche Wirken Helga Wagners die entsprechende Anerkennung auch öffentlicher Stellen. Ihre fachliche Kompetenz wurde gerade in den wichtigen Arbeitskreisen und Gremien besonders hoch geschätzt: z.B. in der ARGE Biolandbau aber auch bei den Kontakten mit dem Ministerium. Den Vermittlungsgesprächen zwischen den verschiedenen Bioverbänden mit deren oftmals divergierenden Vorstellungen und Anschauungen hat Helga Wagner besonderen Wert beigemessen. Das von ihr erstrebte Zusammenführen der Verbände in ein „BIO-HAUS Österreich“ ermöglichte so eine zukunftsweisende Weiterentwicklung des Bio-Landbaus in Österreich.

Besondere Bedeutung für den Biolandbau in Österreich sehe ich in Helga Wagners Forderung nach einer Rückbesinnung auf die Wurzeln des Biolandbaus. Ihre Fachbeiträge über die grundsätzliche Bedeutung der Bodengesundheit – als Grundlage der Gesundheit von Pflanze – Tier – Mensch, ist heute von allergrößter Wichtigkeit und für die Zukunft des Biolandbaus richtungsweisend. Diese Rückkehr zu den Wurzeln der Biolandbaumethode nach Dr. Müller/Dr. Rusch ist dabei Helgas besonderes Anliegen.

Dass Helga Wagner jahrzehntelang gewissermaßen als „Generalsekretärin“ die Geschicke der „Förderungsgemeinschaft für gesundes Bauerntum“ geprägt hat, muss hier noch angefügt werden. Sie hat die Hauptlast der Arbeit in unserer Gemeinschaft getragen und tut dies noch heute!

Dass es ihr gelungen ist, über Jahre hin den „Rusch-Arbeitskreis“ so erfolgreich zu leiten und damit u.a. den Bio-Landbau wieder an seine Wurzeln herzanzuführen, hat Helga Wagner in den letzten Jahren besonders viel Freude gemacht. Sie ist wie früher eine sehr gesuchte und beliebte Vortragende und Beraterin in den bäuerlichen Arbeitskreisen wobei, sie auf ihre große Erfahrung zurückgreifen kann, mit der sie bei ihren „Auftritten“ die Zuhörer – praktisch in ganz Österreich und darüber hinaus – immer wieder – und dies bis heute, zu begeistern und zu fesseln vermag.

Selbst ein schwerer Unfall und eine jahrelange Rekonvaleszenz konnte ihre Arbeit und ihren Einsatz für die „Gesundung“ unser „Mutter Erde“ nur geringfügig vermindern.

Als Mitbegründerin der „Schlägler Bio-Gespräche“ spielt Helga Wagner bei der Ausgestaltung dieser fachlich herausragenden Treffen stets eine wichtige Rolle. Fragen der Anwendung des Urgesteinsmehls, der Bedeutung des Rusch-Tests für die Bodengüte und der Bestimmung des Redox-Potentials für die Qualitätsbestimmung unserer Lebensmittel sind für Helga ebenso bedeutungsvoll, wie überhaupt die Schaffung und der Aufbau eines aktiven, gesunden, lebendigen Bodens als Grundlage gesunder Pflanzen, gesunder Tiere und gesunder Menschen!

Nun wünschen wir Helga Wagner für die Zukunft vor allem Gesundheit und auch weiterhin noch viel Freude an ihrer Arbeit für den biologischen Landbau in Österreich.

Gebhard Rieger

Möschberg Erklärung

Zur Landwirtschaft von Morgen

  1. Hinter diesem Aufruf stehen verantwortungsbewusste Bauern und Bäuerinnen, Fachleute aus dem landwirtschaftlichen Umfeld sowie besorgte Konsumentinnen und Konsumenten. In Achtsamkeit gegenüber dem Boden und der darauf gedeihenden Vielfalt wollen wir neue und zukunftsweisende Bewirtschaftungsformen verwirklichen, die das natürliche Prinzip des Werdens und Vergehens respektieren.
  2. Wir gehen davon aus, dass die Ernährung mit weitgehend eigenproduzierten Lebensmitteln ein Grundbedürfnis und das sinnvolle landwirtschaftliche Ziel jeder lokalen Gemeinschaft, Region oder Nation ist.
  3. Bauern und Bäuerinnen, aber auch viele andere Mitglieder der Gesellschaft tragen zu dieser verantwortungsvollen Aufgabe bei. Überschaubare und persönlich gestaltbare Verhältnisse sind die Grundlage für eine lebendige Landwirtschaft.
  4. Weltweit ist die kleinräumige bäuerliche Landwirtschaft ein unverzichtbares Landschaftselement. Sie beherbergt eine ökologische Vielfalt an Pflanzen und Tieren und trägt ein biologisches, soziales und kulturelles Erbe. Dieser sorgsam bearbeitete Boden ist und bleibt die Lebensgrundlage für alle Menschen.
  5. Der Weltagrarbericht hält in eindrücklicher Weise fest, dass die heute dominierende Landwirtschaft in Strukturen gefangen ist, die der Biodiversität schaden und soziale Ungerechtigkeit verursachen. Die Hungerproblematik verschärft sich anstatt gemildert zu werden. Um Böden, Luft, Gewässer und Menschen wieder gesunden zu lassen, müssen radikal andere Wege beschritten werden.
  6. Vieles dreht sich um den Schlüsselfaktor Erdöl. Die Industrialisierung der Nahrungsproduktion bewirkte, dass unsere Landwirtschaft die nachhaltige Nutzungsweise der natürlichen Grundlagen aus den Händen gegeben hat und von nicht erneuerbarer Energie abhängig geworden ist. Die Begrenztheit der fossilen Energiereserven und die mit ihrem Verbrauch einhergehende Klimaveränderung zwingen die Landwirtschaft der Industrieländer, rasch aus der Energie verschleißenden Produktionsweise herauszufinden.
  7. Die Schweiz ist durch Import­und Exportverbindungen in die weltweite Agrarproblematik eingeflochten. Wir haben einen statistischen Selbstversorgungsgrad von etwa 50%. Energetisch betrachtet ist unser

Selbstversorgungsgrad mit Lebensmitteln jedoch Null. Jede Kalorie, die uns ernährt, wird erst durch den „Einkauf“ von nicht erneuerbaren Kalorien verfügbar. Diese verdrängte Tatsache steht in auffallendem Widerspruch zum Verfassungsauftrag über die Ernährung der Schweizer Bevölkerung.

  1. Aufgrund des Gesagten ergeben sich vier offensichtliche Forderungen zur Sicherung der landwirtschaftlichen Flächen als nachhaltige Lebensgrundlage: ­Eher kleinere Betriebseinheiten und nicht größere, ­Mehr Arbeitskräfte in der Landwirtschaft und nicht weniger, ­Größere natürliche Vielfalt auf den Betrieben, ­Neue Formen der nachbarschaftlichen und sozialen Zusammenarbeit.
  2. Diese Zielvorstellungen verlangen nach völlig neuen Handlungsgrundsätzen für Bauern und Bäuerinnen. Dass der bisherige Fortschrittspfad der industriellen Landwirtschaft in eine Sackgasse führt, muss auch von der übrigen Bevölkerung erkannt und in den Konsequenzen mitgetragen werden. Selbst der biologische Landbau erweist sich unter der herrschenden wachstumsorientierten Denkweise als nicht nachhaltig. Politik, landwirtschaftliche Ausbildungsstätten, die Agrarwissenschaft und wir alle sind aufgefordert, umzudenken und anders zu handeln.

Online Diskussion auf http://www.bioaktuell.ch/ (Möschberg Erklärung)