Im biologischen Landbau gilt es als ausgemacht, dass dem kompostierten, mehr oder weniger vollkommen verrotteten Mist unbedingt den Vorzug gebühre gegenüber dem sonst üblichen Verfahren, den Stallmist ungeachtet seines Zustandes auszubringen und möglichst auch unterzupflügen. Die Wüchsigkeit, Gesundheit, Keimfreudigkeit und Schädlingsfreiheit können bedeutend gesteigert werden, wenn der Mist vorbehandelt wurde und nicht stallfrisch aufs Feld kommt.
Zahlreiche Boden- und Komposttestierungen, Topf- und Freilandversuche haben überzeugt, dass der Unterschied zwischen dem frischen und dem vorbehandelten Stallmist nicht im unterschiedlichen Nährstoffgehalt, nicht im Verhalten des Stickstoffs, nicht in der Bindung neuer, zugeführter Energien, sondern ganz allein in dem Ablauf und der Entwicklung der mikrobiologischen Umsetzungsvorgänge liegt. Der bedeutungsvolle Unterschied besteht darin, dass die Phase der Fäulnis beim Frischmist noch nicht beendet ist, während sie beim guten, brauchbaren und für die Pflanze uneingeschränkt verträglichen Mistkompost abgeschlossen ist. Jede andere Veränderung, die sonst noch beobachtet wird, ist unwesentlich.
Der chemisch nachweisbare Nährstoffgehalt ist, mit Ausnahme des Stickstoffgehaltes, bei richtigem Verfahren vor und nach der Kompostierung praktisch gleich. Der Stickstoffgehalt sinkt, teilweise sehr bedeutend, während der Kompostierung ab, weshalb man in der Agrikulturchemie veranlasst war zu lehren, den Mist sobald wie möglich, dh. so frisch wie möglich, aufs Feld zu bringen, weil man sonst hohe Verluste an Stickstoff in Kauf nehme. Die chemische Analyse zeigt nicht, dass der Kompost auch bezüglich des Stickstoffs besser ist als der bedeutend stickstoff-haltigere Frischmist; erst durch das endgültige Resultat ergibt sich: Die Pflanze hat nach beendetem Wachstum aus dem kompostierten Stallmist tatsächlich mehr Stickstoff gewonnen als aus dem Frischmist. Diese Beobachtung weist darauf hin, dass es nicht auf den Stickstoffgehalt an sich ankommt, sondern auf den Ablauf der Vorgänge, die der Pflanze den Stickstoff vermitteln; sie laufen offenbar besser ab, wenn der Mist vorbehandelt ist.
Wir wollen in Erinnerung rufen, dass der biologische Landbau nicht denkbar ist ohne die richtige Behandlung der lebendigen Dünger. Es ist und bleibt eine unumstößliche Tatsache, dass der Unterschied zwischen Frischmist und Mistkompost einen ganz entscheidenden Raum einnimmt im Denken des biologischen Bauern. Der biologische Landbau will Leben erzeugen, Lebensvorgänge in Gang halten und Nahrung wachsen lassen nach den Gesetzen des Lebendigen. Das ist undenkbar ohne eine richtige Führung der entscheidenden Lebensvorgänge in den organischen Düngern.
In der Natur gehen die Abbauvorgänge in der Oberfläche vor sich, die Aufbau- und Humusbildungs-Vorgänge in der tieferen Schicht der lebendigen Krume, also streng getrennt. Beide, die Abbau- wie die Aufbauphase der Humusbildung gehen bei der üblichen Frischmist-Düngung durcheinander, während sich in der kompost-versorgten Erde nur die letzte Phase der Humusbildung vorfindet.
Der Wurzel-Organismus der Pflanze meidet streng alle Schichten, in denen Abbau und Fäulnis vor sich gehen. In der Natur ist das nur die oberste Schicht. Bei der Fäulnismistdüngung aber besteht keine Schichtbildung, hier laufen zwangsweise Abbauvorgänge, wenn auch bedeutend langsamer, in der Tiefe der lebendigen Schichten ab, wo sie nicht hingehören. Die Pflanzenwurzel findet keine Ordnung vor, an die sie sich halten kann, sondern ist gezwungen, sich mit den Fäulnisvorgängen abzufinden und schlecht und recht durchzuhalten, bis sie abgelaufen sind. Das erklärt die beobachtete Verzögerung im Wachstum und in der Keimung der Samen.
Das Pflanzenwachstum ist erst dann wirklich natürlich, wenn die Pflanze ihren Stickstoffbedarf aus der Lebenstätigkeit des Bodens vollkommen zu decken vermag.
Das praktische Vorgehen kann aus folgenden Formeln abgeleitet werden:
1. Die ideale Form der organischen Düngung ist diejenige, die eine natürliche Schichtbildung auf dem Feld bewirkt. Dazu gehört die natürliche Trennung von Abbauvorgängen in der obersten und Aufbauvorgängen in der darunterliegenden Bodenschicht.
2. Diese Trennung ist nur möglich, wenn organische Dünger, soweit sie nicht vollkommen vererdet sind, ausschließlich als Bodenbedeckung benutzt werden.
3. Die Düngewirkung organischer Dünger ist dann am größten, wenn die Oberflächendecke aus Material besteht, das sich in der Phase der Faulung/Gärung befindet.
4. Muss der organische Dünger aus praktischen Gründen untergearbeitet werden, so darf kein Material verwendet werden, das sich noch in der Faulphase befindet, insbesondere kein frisches.
Die Mistkompostierung behält also einstweilen ihre Berechtigung, sie ist vorläufig unentbehrlich. Es ist ein Grundgesetz des biologischen Landbaues, dass von der Wurzel der Kulturpflanzen alle Stoffe ferngehalten werden, die dort natürlicherweise nicht hingehören. Anders gibt es keinen natürlichen Pflanzenwuchs, keine echte Pflanzen-Gesundheit und keinen biologischen Vollwert. Mit dme Unterpflügen von frischem oder faulendem Mist verstößt man gegen dieses fundamentale Gesetz. Wer das nicht einsieht, sollte sich nicht wertig ansehen. Ein Boden, in dessen Tiefe sich Fäulnis- und Gärungsvorgänge abspielen müssen, weil wir ihn dazu zwingen, kann nicht als natürlich, gesund, mit anderen Worten: als biologisch angesehen werden. Daran ist nicht zu rütteln.
Es ist nicht umsonst, wenn man sich nach wie vor mit der Kunst der Kompostbereitung beschäftigt und sich darin soweit wie möglich vervollkommnet. Es wird nämlich immer Materialien im organischen Landbau geben, die man kompostieren muss, weil man sie anders nicht gut verwenden kann, und es wird auch immer Kulturpflanzen geben, denen man – mindestens zu Anfang ihres Wachstums – lieber Komposte geben soll als eine frische Oberflächendüngung. Außerdem wird der allererste Teil der Kompostierung, die Anfaulung des Materials, niemals ganz entbehrlich werden, einfach deshalb, weil das Material sonst praktisch schlecht verwertbar ist. Die Kunst des Kompostierens wird also, trotz neuer Erkenntnisse, immer ein Kernstück und Prüfstein für den organischen Landbau bleiben. Mögen sich das diejenigen zu Herzen nehmen, die immer wieder nach Gründen suchen, um sich die Mühe – mehr die Mühe des Nachdenkens als die Mühe der Arbeit! – zu sparen. Was nützt alle wissenschaftliche Arbeit, wenn sie keine praktischen Früchte trägt?