,,Menge und Güte der lebenden Bodensubstanz als Test für die Bodenfruchtbarkeit“
Wir nennen einen Boden fruchtbar, wenn er die Nahrung für ein reichliches und vollkommenes Pflanzenwachstum bereithält.
Das Wachstum darf reichlich genannt werden, wenn unsere Kulturpflanzen die für die Ernährung erforderlichen Mengen an Ertrag liefern. Als Anhaltspunkt dienen die statistisch festgestellten Ertrags- und Höchstertragsgrenzen.
Das Wachstum darf vollkommen genannt werden, wenn die Kulturpflanzen äußerlich gesund erscheinen, keines nennenswerten Schutzes gegen Krankheiten und Schädlinge bedürfen und als vollwertige, gesunde Nahrung für Mensch und Tier gelten können. Damit wird die Frage nach ihrer biologischen Güte gestellt.
Beides, die Menge und Güte des Ertrages, sind die Richter im biologischen Landbau. Sie sind es freilich auch im übrigen Landbau, nur steht dort die Menge im Vordergrund, während die Güte, die echte biologische Güte, wenig Rücksicht findet.
Im biologischen Landbau steht die Güte im Vordergrund, die Menge rangiert an zweiter Stelle, denn was nutzen Höchsterträge wenn es an gesundheitlichem Wert für Mensch und Tier mangelt und man Ausgaben für Pflanzenschutzmittel und Gesundheitsfürsorge aufwenden muss.
Bei der biologischen Güte handelt es sich stets um die Wirksamkeit von lebendigen Vorgängen, um die Wirksamkeit biologischer Kräfte und Gleichgewichte, um ein stets in Bewegung befindliches, unbegreifliches „Etwas“, das uns nur in äußeren Erscheinungen sichtbar wird.
Ob etwas biologisch hochwertig war, erkennen wir erst, wenn wir sehr viel später das Resultat sehen die Gesundheit von Pflanzen, Tieren und Menschen. Wir müssen die Lebensvorgänge als Ganzes nehmen, ihren Ablauf, ihren Zusammenhang, ihre Abhängigkeiten beobachten und vergleichen.
Die Beobachtung lebendiger Abläufe ist etwas grundsätzlich anderes als die stoffliche Zerlegung und darin liegt der eigentliche Unterschied zwischen der biologischen und der chemisch-physikalischen Forschung.
Der Biologe kann, wenn er neues vom Lebendigen erfahren will, nicht beliebige Experimente anstellen, er muss es in seinem Zusammenhang lassen und als Ganzes erforschen.
Die Gesetze des biologischen Landbaues können nicht in Einzelheiten erkannt werden, denn er ist ein Ganzes. Alle ihn ausmachenden, miteinander verknüpften Lebensvorgänge müssen in Ordnung sein.
Sonst ist es kein biologischer Landbau.
Die Funktion des Ganzen muss über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg gesehen werden, das ist der einzige ganz sichere Test, den es im biologischen Landbau gibt.
Alle im Biolandbau getätigten Bodenteste sind nur imstande einen kleinen Ausschnitt aus ungeheuer verzweigten, niemals ganz durchschaubaren Lebensvorgängen im Boden zu zeigen. Ein solcher Test ist immer nur im Vergleich zu werten, entweder im Vergleich zu früheren Proben, oder im Vergleich mit anderen.
Der Test muss uns sagen, ob der Boden imstande ist, an unseren großen Aufgaben mitzuhelfen, ob er mit Recht ein lebendiges Glied in dem lebendigen Ganzen ist, ob man mit Recht von ihm sagen kann, dass er dem Menschen dient, seiner Ernährung, seinem Wohlbefinden, seiner Gesundheit, seiner Zukunft.
Große Fragen sind das, die uns da gestellt werden! Und wir sollen sie beantworten, indem wir mit List und Tücke versuchen, die ewig wechselnde Lebendigkeit des Bodens in das Mikroskop und in die Zählkammer, in die bakteriologische Nährlösung und Zahlenkolonne zu bannen für wahr eine schwere Aufgabe!
Mit diesen grundlegenden Erkenntnissen ging Rusch an die Aufgabe heran, einen Test zu entwickeln, der Aussagekraft besaß für die Menge und Güte der lebenden Bodensubstanz.
Weitere Erkenntnisse in dieser Forschung:
Je mehr Symbionten eine Bodenprobe zu ernähren imstande ist, das heißt, je mehr hochwertige Bakterien als Begleiter von Pflanze, Tier und Mensch er hervorbringt, umso höher ist seine biologische Güte.
Zur Frage der Menge:
Ein biologisches Wachstum von Kulturpflanzen ist nur möglich, wenn eine dem Wachstum
entsprechende Menge an organischer Substanz zur Verfügung steht. Außerdem sind die physikalisch- chemischen Eigenschaften, die eine fruchtbare Erde haben muss nur vorhanden, wenn der Boden mit bestimmten Mindestmengen von organischer Substanz durchsetzt ist, das heißt, lebend verbaut ist (Sekera).
Wir verlangen, das ein Boden nicht deshalb fruchtbar genannt werden darf, weil er genug verfügbare Kernnährstoffe enthält, wir verlangen vielmehr das die Lebensvorgänge des Bodens selbst durch die Düngung so in Ordnung gebracht werden, dass sie von sich selbst aus imstande sind, die Pflanze ohne künstliche Nachhilfe zu ernähren. Das ist für uns erst Fruchtbarkeit.
Unser Begriff Fruchtbarkeit ist also etwas grundsätzlich anderes als die agrikulturchemische Fruchtbarkeit und das ist eines der wichtigsten Kernstücke im biologischen Landbau. Unsere Bodenfruchtbarkeit lässt sich nur anhand von Lebensvorgängen prüfen, nicht in chemischer Analyse.
Das ist zwar viel schwieriger aber für uns unentbehrlich.
Der Test soll aussagen, ob das Bodenleben ausreicht, um ein biologisch vollkommenes Wachstum hervorzubringen, nicht weniger aber auch nicht mehr.